Claudia Nathaus ist Mitarbeiterin im Projekt UOS.DLL und hat den Beitrag für unsere Kategorie „Meinungen und Haltungen“ verfasst.
Stereotype über Studierende gibt es zahlreich, oft sind sie fest in den Köpfen von Lehrenden verankert. Viele dieser Stereotype zielen auf einen bestimmten Typus von Studierenden ab: Diese Person hat vor nicht zu langer Zeit ihr Abitur absolviert, ist weiß, nicht berufstätig, hat weder gesundheitliche Beeinträchtigungen noch Kinder und hat Deutsch als Muttersprache erlernt.
Doch betrachtet man allein die letzte Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks aus dem Jahr 2016, sieht man, dass 61 % der Studierenden neben dem Studium erwerbstätig sind, 11 % unter dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, 33 % 25 Jahre und älter sind, 6 % mindestens ein Kind haben, 20 % einen Migrationshintergrund und 15% Bildungsausländer*innen sind.
Die Studierendenschaft ist divers und vielfältig und doch sind universitäre Strukturen oftmals nicht auf diese Diversität ausgerichtet, sondern auf Homogenität und Effizienz.
Eine moderne Hochschullehre sollte meines Erachtens diese Diversität berücksichtigen und eine individualisierte, flexible und chancengleiche Lernumgebung anbieten.
Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in der Hochschullehre beschleunigt und somit auch den Weg dafür geebnet, Lehrtraditionen zu reflektieren: Muss eine Vorlesung immer in Präsenz stattfinden und eine Dauer von 90 Minuten haben, sind digitale Alternativen zu Präsenzsprechstunden möglich, können Lerninhalte auch anders als frontal in Veranstaltungen vermittelt werden, …
Die digitale Lehre erleichterte etwa einigen Studierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder familiären bzw. arbeitsbedingten Verpflichtungen die Partizipation an den Veranstaltungen, indem sie diese zeitlich flexibel und ohne lange Anfahrtswege besuchen konnten. Auch konnte durch Vorlesungsaufzeichnung so manche sprachliche Hürde abgeschwächt werden, indem bei komplexeren Sachverhalten die entsprechende Passage einfach mehrfach angesehen werden konnte.
Jedoch hat die Pandemie auch die Nachteile einer vollständigen Digitalisierung der Lehre aufgezeigt: Viele Studierende litten unter der sozialen Isolierung und dem fehlenden direkten Austausch mit Kommiliton*innen und Lehrenden. Die Integration in den Studienalltag gerade von Studierenden in den ersten Semestern oder ausländischen Studierenden wurde durch die herrschenden Bedingungen erschwert.
Die aktuelle Situation erlaubt es allen Akteur*innen nun, viele Aspekte der Hochschullehre neu zu ordnen. Welche Traditionen sollen erhalten bleiben und welche Methoden der digitalen Lehre können dauerhaft einen Platz in den Curricula finden?
Ein wichtiger Schritt dabei ist, die Vielfältigkeit der Studierendenschaft wahrzunehmen, bei der Konzeption von Curricula zu berücksichtigen und Lösungen anzubieten, die möglichst vielen Personen eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildungsprozessen ermöglichen.