Projekt DigiRom – Vier Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung der Lehre in der Romanistik

Der Einsatz digitaler Technologien in der universitären Lehre der Studiengänge der Romanistik (Französisch, Spanisch, Italienisch) an der Universität Osnabrück war bislang wenig verbreitet. Mit dem DigiRom-Projekt (2019-2021) wurde das Ziel verfolgt, durch eine sinnvolle Integration digitaler Medien bekannte Herausforderungen im Bereich der Sprachpraxis, der Fachwissenschaften und der Fachdidaktik anzugehen, die Qualität der Lehrveranstaltungen zu erhöhen und deren Attraktivität zu steigern.

Projekttitel: DigiRom – Erhöhung der Qualität der universitären Lehre in der Romanistik durch Einsatz digitaler Medien
Leitung: Prof. Dr. Mark Bechtel
Abteilung: Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft
Verortung: Institut für Romanistik/Latinistik
Mitarbeitende: Johanna Fricke, Lara A. Dittmann
Hilfskräfte: Elisa Amerjan, Leonie Puchbauer, Luise Träger
Laufzeit: 01/2019 – 12/2021
Finanzierungsquelle: Land Niedersachsen, Programm Qualität Plus
Kontakt: Prof. Dr. Mark Bechtel

Das DigiRom-Projekt beinhaltete vier Einzelmaßnahmen. Die Maßnahme „AutonOS“ sah die Implementierung eines neuen Moduls im Bereich der Sprachpraxis zum digitalen autonomen Fremdsprachenlernen vor. Bei der Maßnahme „IKK-online“ nutzten Studierende in einem fachdidaktischen Blended-Learning-Seminar zum interkulturellen Lernen digitale Medien, um sich mit Studierenden einer ausländischen Universität auszutauschen. Bei der Maßnahme „OnVorNa“ ging es um die Nutzung digitaler Tools zu einer effektiven Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen. Die Maßnahme „U-Vid“ sah vor, Videoausschnitte realen Französisch- bzw. Spanischunterrichts in fachdidaktischen Seminaren einzusetzen, um die Analyse- und Reflexionsfähigkeit der Studierenden zu fördern. Für die Maßnahmen „AutonOS“ und „U-Vid“ war die Projektmitarbeiterin Lara A. Dittmann zuständig, die Maßnahmen „IKK-online“ und „OnVorNa“ wurden von Johanna Fricke bearbeitet. Die Projektleitung hatte Prof. Dr. Mark Bechtel inne.

1. Autonos

1.1 Ausgangslage

Beim Fremdsprachenstudium, das wie in den Fächern Spanisch und Italienisch in Osnabrück ohne Vorkenntnisse begonnen werden kann, reicht die Anzahl der präsenten Sprachpraxisveranstaltungen für einen Großteil der Studierenden nicht aus, um das angezielte fremdsprachliche Niveau zu erreichen. Darüber hinaus sind die Gelegenheiten begrenzt, das in den Lehrveranstaltungen erworbene fremdsprachliche Wissen auch tatsächlich anzuwenden. Gleiches gilt auch für das Fach Französisch. Hinzu kommt, dass allgemein die Fähigkeit der Studierenden zum autonomen Fremdsprachenlernen, also sich selbstgesteuert die Fremdsprache anzueignen und sie gezielt individuell in spezifischen Teilkompetenzen (Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen, Schreiben, Grammatik, Wortschatz, interkulturelles Lernen) selbstständig zu verbessern, nicht besonders ausgeprägt ist.

1.2 Zielsetzung

Ziel der Maßnahme war die Entwicklung und curriculare Verankerung eines neuen Sprachpraxismoduls, bei dem sich die Studierenden mit dem Konzept der Lernerautonomie vertraut machen, ausgewählte (digitale) Fremdsprachlernaktivitäten (insbesondere das Online-Tandem) kennenlernen, für sich selbst Lernstrategien entwickeln und diese zur Weiterentwicklung ihrer Fremdsprachenkompetenz nutzen. Darüber hinaus sollten die Studierenden mit Hilfe eines ePortfolios ihren individuellen Lernprozess und Lernfortschritt sowie ihre Lernergebnisse reflektieren und dokumentieren.

1.3 Maßnahmen

In Zusammenarbeit mit Vertreter*innen des Arbeitsbereichs Didaktik der romanischen Sprachen und der Lektor*innen für die Fremdsprachen Französisch, Spanisch und Italienisch wurde ein Konzept für die Ziele und Inhalte des neuen Moduls entwickelt und im Rahmen der AG „Studiengangsentwicklung Romanistik“ Möglichkeiten der curricularen Verankerung bei der Reakkreditierung ausgelotet. Parallel dazu wurde ein Konzept für einen Online-Tandemkurs entwickelt, bei dem eine Gruppe von Osnabrücker Französischstudierenden mit einer Gruppe von französischsprachigen Muttersprachler*innen mit dem Studienfach Deutsch über ein Videokonferenztool zusammengebracht werden, um sich online in Breakout-Räumen zu zweit abwechselnd auf Deutsch und Französisch zu unterhalten und sich dabei gegenseitig beim Gebrauch der Fremdsprache zu unterstützen (vgl. Bechtel 2016). Das Gleiche gilt für die Fremdsprachen Spanisch und Italienisch. Die Leitung der Online-Tandemkurse übernahmen studentische Hilfskräfte, die hinsichtlich der Ziele, Inhalte und Methoden des Tandemlernens fortgebildet wurden. Neben der Durchführung der Tandemkurse gehörte zu ihren Aufgaben auch die Werbung und die Suche nach interessierten französisch-, spanisch- bzw. italienischsprachigen Muttersprachler*innen. Eine weitere Maßnahme bestand in der Entwicklung einer universitären digitalen Lernplattform, die dazu dienen soll, die Studierenden über die Ziele des neuen Moduls zu informieren, ihnen einen Überblick über die möglichen individuellen Sprachlernaktivitäten und die zu belegenden Workshops zu geben sowie die Funktionsweise des ePortfolios zu erläutern.

1.4 Ergebnisse

Ein zentrales Ziel, nämlich die curriculare Verankerung des neuen Sprachpraxismoduls in den Ende 2021 reakkreditierten Bachelor-Studiengängen der Romanistik, ist erreicht worden. Die Gutachergruppe bezeichnete das neue Modul, das nunmehr „Autonomes Fremdsprachenlernen“ (AFL) heißt, als innovativ und ein „Leuchtturm“ im Bereich der Sprachpraxis. Es besteht aus drei Komponenten: einer begleitenden Lehrveranstaltung in Form von Workshops, in denen sich die Studierenden mit zentralen Strategien und Techniken selbstgesteuerten Fremdsprachenlernens vertraut machen (1 LP), der Durchführung ausgewählter (digitaler) Fremdsprachenlernaktivitäten (vor allem Online-Tandem) (1,5 LP) und der Dokumentation und Reflexion des Lernprozesses und der Lernergebnisse in Form eines ePortfolios (0,5 LP). Das ePortfolio stellt die unbenotete Studienleistung dar. Die Online-Tandemkurse wurden für die Sprachenpaare Deutsch-Französisch, Deutsch-Spanisch und Deutsch-Italienisch seit dem SoSe 2020 dreimal unmittelbar aufeinanderfolgend durchgeführt und evaluiert. Insgesamt nahmen ca. 70 Osnabrücker Studierende an den Tandemkursen teil. In der Evaluation hoben die Studierenden vor allem die hohe individuelle Sprechzeit in der Fremdsprache sowie die Aktualität und Authentizität der Informationen und Sichtweisen der Muttersprachler*innen positiv hervor. Zwar könne ein Online-Tandem eine reale Begegnung vor Ort im Zielsprachenland nicht ersetzen, gleichwohl wurde der Online-Austausch als förderlich für das interkulturelle Lernen anerkannt. Als wichtige Gelingensbedingungen haben sich eine etwa gleich große Anzahl von Teilnehmenden beider Sprachgruppen, eine stabile Internetverbindung, die unkomplizierte Einrichtung von Breakout-Räumen und ein für beide relevantes Thema herausgestellt.

1.5 Ausblick

Da die reakkreditierten Studiengänge erst im WiSe 2022/23 in Kraft treten und das AFL-Modul im zweiten Semester vorgesehen ist, wird der erste Durchlauf im SoSe 2023 stattfinden. Das SoSe 2022 und WiSe 2022/23 wird dazu genutzt, (a) die begleitenden Workshops zu konzipieren, (b) den Pool an möglichen Fremdsprachenlernaktivitäten zu erweitern und zu konkretisieren sowie (c) eine technische Lösung für die Integration des ePortfolios in die AFL-Lernplattform zu erarbeiten.

2. IKK-online

2.1 Ausgangslage

In den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Mittleren Bildungsabschluss (KMK 2003) und die fortgeführte Fremdsprache für die Allgemeine Hochschulreife (KMK 2012) ist die interkulturelle kommunikative Kompetenz eine zentrale Kompetenz, über die die Schülerinnen und Schüler im Fremdsprachenunterricht verfügen sollen. In den kompetenzorientierten Lehrplänen der Länder wurden diese Vorgaben auch für andere schulische Fremdsprachen mit einem anderen Status (z.B. Französisch oder Spanisch als 2. oder 3. Fremdsprache) umgesetzt. Wenn zukünftige Fremdsprachenlehrkräfte den Schülerinnen und Schülern helfen sollen, diese interkulturellen Kompetenzen allmählich im Unterricht aufzubauen, ist es unabdingbar, die fachdidaktische Vermittlung interkultureller Kompetenzen in der universitären Lehrerbildung zu verankern. Zwar ist im Studium ein dreimonatiger studienrelevanter Auslandsaufenthalt vorgeschrieben. Insgesamt haben die Studierenden während ihres Studiums jedoch wenig Gelegenheit, sich gezielt mit Personen des Zielsprachenlandes über fachlich relevante Themen auszutauschen und dabei interkulturell zu lernen.

2.2. Zielsetzung

Ziel ist der Maßnahme war, im Rahmen des fachdidaktischen Moduls im Masterstudiengang Lehramt Französisch bzw. Spanisch ein grenzüberschreitendes Blended-Learning-Seminar („IKK online“) zu konzipieren, durchzuführen und zu evaluieren, bei dem Studierende des Faches Französisch bzw. Spanisch der Universität Osnabrück und des Faches Französisch bzw. Spanisch als Fremdsprache einer frankophonen bzw. hispanophonen Partneruniversität teilnehmen (vgl. Abendroth-Timmer et al. 2013). Neben der Aneignung von Wissen über die Komplexität interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht und dem Transfer durch die theoriebasierte Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien sollten die Studierenden selbst eine interkulturelle Begegnungssituation durchlaufen und über ihre dabei gesammelten Erfahrungen reflektieren.

2.3 Maßnahmen

In Anlehnung an Überlegungen von Abendroth-Timmer et al. (2013) wurde ein Konzept für das Seminar „IKK online“ erarbeitet, das als Grundlage für Gespräche mit interessierten Kooperationspartnern einer frankophonen bzw. hispanophonen Universität geeignet erschien.  Die Kooperationspartnerakquise gestaltete sich als langwieriger Prozess, der nur bedingt erfolgreich war. Durch einen Kontakt auf einer Tagung in Spanien konnte schließlich eine geeignete Kooperationspartnerin gefunden werden. Für die Fachdidaktik Französisch wurde im Projektzeitraum kein Kooperationspartner gefunden. Parallel dazu wurde im SoSe 2020 mit Hilfe der neuen Features zur Online-Kommunikation, mit denen coronabedingt die Lernplattform (Stud.IP) ausgebaut wurde, das technische Gerüst der Lernumgebung samt der notwendigen Tools entwickelt. Im Wintersemester 2020/21 konnte das Seminar von Prof. Dr. Mark Bechtel und Johanna Fricke in Kooperation mit der spanischen Kollegin Raquel Nielfa Toribio (Universidad CEU Cardenal Herrera, Valencia) unter dem Titel „El aprendizaje intercultural en el aula ELE“ durchgeführt werden. Die Herausforderung bestand darin, zwei unterschiedliche Formate, auf Osnabrücker Seite ein Seminar, auf spanischer Seite ein Einführungskurs in die Didaktik des Spanischen als Fremdsprache dergestalt zu verbinden, dass punktuell eine sinnvolle Kooperation möglich war. Das Seminar war so aufgebaut, dass nach acht voneinander getrennten Sitzungen es in vier Sitzungen mit Hilfe von vorbereitenden Blogs und Videokonferenzen zu einem Austausch in deutsch-spanischen Tandems bzw. Tridems kam. Gegenstand des Austauschs waren ein gegenseitiges Kennenlernen, zentrale Aspekte des interkulturellen Lernens, eigene interkulturelle Erfahrungen sowie eine gemeinsame Analyse von schulischen Aufgaben zur Förderung interkultureller Kompetenzen. Analog wurde darüber hinaus das fremdsprachendidaktische Thema „Leseverstehen“ gemeinsam bearbeitet.

2.4 Ergebnisse

Mit Hilfe eines Fragebogens wurde das Seminar evaluiert, wobei eine gesonderte Variante für die deutschen und eine für die spanischen Seminarteilnehmenden zum Einsatz kam. Grundsätzlich wurde in der Evaluation der Mehrwert des Austausches in den Kleingruppen aus deutschen und spanischen Studierenden hervorgehoben – die Evaluation der Studierenden aus Valencia fiel dabei deutlich positiver aus als die der Osnabrücker Studierenden. Das Lehr-/Lernsetting samt den zugehörigen Aufgaben wurde auf beiden Seiten als nützlich bewertet. Mit Blick auf das Gelingen der Kooperation innerhalb der Kleingruppen wurde auf spanischer Seite keinerlei Kritik geäußert, durch die Osnabrücker Studierenden hingegen schon: So wurde angemerkt, dass spanischen Gruppenmitglieder zum Teil Hausaufgaben nicht erledigten und sich wiederholt zu spät zu den Videokonferenzen einloggten. Insgesamt wünschten sich die deutschen wie auch die spanischen Studierenden mehr Zeit für den Austausch innerhalb der Kleingruppen per Videokonferenz: Zum einen wurde wiederholt angemerkt, dass eine längere Kennenlernphase zu Beginn der Kooperation sinnvoll gewesen wäre. Zum anderen wurde zum Teil kritisiert, dass für die Bearbeitung einzelner Aufgaben mehr Zeit benötigt worden wäre. Bei der Durchführung künftiger Seminare könnte dem entweder durch eine Ausweitung der Videokonferenzphase zur Erledigung der Aufgabe oder durch eine Verringerung des Aufgabenumfangs begegnet werden.

Es zeigte sich, dass der Einsatz digitaler Medien zur grenzüberschreitenden Kommunikation recht einfach einzurichten ist und die Tools auch gut funktionieren. Die Studierenden haben die Gelegenheit zum Austausch und als Lernanlass wahrgenommen und genutzt. Deutlich wurde aber auch, dass die Vorbereitung eines solchen Austauschs Zeit und personelle Ressourcen in Anspruch nimmt, da man sich zum einen über die unterschiedlichen zeitlichen und curricularen Bedingungen verständigen und sich zum anderen auf gemeinsame Lernziele für die Austauschphasen einigen muss, die für die Studierenden der beiden beteiligten Universitäten bedeutsam sind. Das Seminarkonzept wurde an der Universitat de València am 29.02.2020 auf der Tagung „XVI. Foro de profesores ELE“ präsentiert, die sich an Universitätsdozierende und schulische Lehrkräfte des Faches „Spanisch als Fremdsprache“ richtete. Sämtliche Materialien zur Vorbereitung und Durchführung des „IKK online“-Seminars wurden so aufbereitet und in der universitätseigenen Lernplattform (Stud.IP) hinterlegt, dass sie langfristig abrufbar und nutzbar sind.

2.5 Ausblick

Auf der Grundlage der gemachten Erfahrungen soll das „IKK-online“-Seminar in regelmäßigen Abständen in gleicher oder je nach vorliegenden curricularen Bedingungen angepasster Form im Bereich der Spanischdidaktik angeboten werden. Zudem wird weiterhin die Ausweitung auf die Französischdidaktik angestrebt. Inwiefern das Konzept auf fachwissenschaftliche Seminare übertragen werden kann, soll mit den Lehrenden der Fachwissenschaften (Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft) diskutiert werden.  

3. OnVorNa

3.1 Ausgangslage

Die Beschäftigung der Studierenden mit dem Thema eines fachwissenschaftlichen oder fachdidaktischen Seminars beschränkt sich oft lediglich auf die Präsenzzeit. Der für die Vor- und Nachbereitung angesetzte Workload wird dabei von vielen Studierenden nicht eingelöst und eine tiefergehende Beschäftigung mit den Lerngegenständen nicht erreicht.

3.2 Zielsetzung

Ziel der Maßnahme war, Konzepte zur Integration digitaler Tools in ausgewählten fachwissenschaftlichen bzw. fachdidaktischen Lehrveranstaltungen der Romanistik zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren, die dazu dienen, Studierende bei der Vor- und Nachbereitung der Lerngegenstände anzuleiten und zu unterstützen.

3.3 Maßnahmen

Für die Umsetzung der Maßnahme ist die Wahl auf das Format einer Einführung im Bachelor, und das Format eines Masterseminars gefallen. Der „Einführungskurs in die spanische und hispanoamerikanische Literaturwissenschaft“ (Johanna Fricke) wurde insgesamt dreimal, im WiSe 2019/20, WiSe 2020/21 und WiSe 2021/22, durchgeführt, das Seminar „Microrrelatos aus literaturwissenschaftlicher und fachdidaktischer Perspektive“ (Johanna Fricke/Annika Thoma) im WiSe 2019/20 und das Seminar „Literaturwissenschaft meets Fachdidaktik (Johanna Fricke / Annika Thoma) im SoSe 2020. Die Einführungsveranstaltung im Bachelor wurde vollständig im Sinne des flipped classroom-Ansatzes umgestellt, da der gesamte theoretische Input in Lehrvideos aufbereitet und digital im Vorfeld zur Verfügung gestellt wurden, während die eigentliche Lehrveranstaltung dazu diente, die Lerngegenstände zu vertiefen. In den Masterseminaren wurden verschiedene Audience-Response-Systeme sowie digitale Tools zum kollaborativen Arbeiten eingesetzt. Coronabedingt musste das erstellte Konzept der Integration digitaler Tools in Präsenzveranstaltungen insofern angepasst werden, als alle ursprünglich im Präsenzformat konzipierten Lehrveranstaltungen online angeboten wurden.

3.4 Ergebnisse

Um die Studierendenperspektive auf die in der Einführungsveranstaltung sowie den zwei Masterseminaren eingesetzten digitalen Tools zu erheben, wurden lehrveranstaltungsspezifische Fragebögen erstellt, die die Studierenden jeweils zu Semesterende ausfüllten. Die Evaluationsbögen waren so aufgebaut, dass zunächst das Lehr-/Lernsetting, in dem das jeweilige Tool zum Einsatz kam, beschrieben wurde. Anschließend wurde der von den Studierenden wahrgenommene Nutzen, der empfundene Mehrwert sowie das geschätzte Motivationspotential abgefragt. Ergänzt wurden diese allgemeinen Fragen zum Teil um toolspezifische Items. In Fricke/Thoma (erscheint) werden die im Masterseminar gesammelten Evaluationsergebnisse vorgestellt und diskutiert, die Evaluationsergebnisse zur Einführungsveranstaltung wurden im Kontext einer Multiplikatoren-Veranstaltung für die Romanistikdozierenden (s.u.) präsentiert. Ausgehend von den Ergebnissen der Studierendenbefragung wurden die bisher entwickelten Konzepte zur Integration digitaler Tools überarbeitet, im Falle der Bacheloreinführungsveranstaltung auch erneut erprobt.

In einer Multiplikatoren-Veranstaltung wurde den Lehrenden der Romanistik auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen und Evaluationen ein Überblick über die Funktionsweise, Potentiale und Nutzungsszenarien konkreter digitaler Tools gegeben, die innerhalb bzw. außerhalb der universitätseigenen Lernplattform Stud.IP genutzt werden können. Neben Stud.IP-internen Tools (wie Etherpad, Courseware, BigBlueButton) kamen externe Tools (mentimeter, Kahoot, Conceptboard, Padlet) zur Sprache. Auf dem vom DigiRom-Projektteam organisierten Symposium „Fremdsprachliche Lehrer*innenbildung digital?“ stellten Johanna Fricke und Annika Thoma das Konzept des digital gestützten Lehr-/Lernsettings der zwei durchgeführten Masterseminare und ausgewählte Evaluationsergebnisse zur Diskussion. Die Publikation (Thoma/Fricke erscheint) erfolgt in einem Sammelband (Bechtel / Dittmann / Fricke erscheint).

3.5 Ausblick

Um die gesammelten Erfahrungen und entwickelten Lehrkonzepte über die Projektlaufzeit hinaus für die Lehrenden der Romanistik zugänglich zu machen, wurden sämtliche Materialien übersichtlich aufbereitet und in der universitätseigenen Lernplattform Stud.IP hinterlegt.

4. U-Vid

4.1 Ausgangslage

Die universitäre fachdidaktische Ausbildung wird einerseits von Seiten der Studierenden oft als praxisfern wahrgenommen. Auswertungsgespräche mit Studierenden nach der Durchführung eigenen Fachunterrichts während des Schulpraktikums lassen von Seiten der universitären Dozentinnen und Dozenten andererseits oft eine theoriebasierte Reflexion vermissen. Es mangelt es an einem fruchtbaren In-Beziehung-Setzen von Theorie und Praxis.

4.2 Zielsetzung

Ziel der Maßnahme ist, Videoaufnahmen realen Französisch- und Spanischunterrichts anzufertigen und Studierende mit ausgewählten, hochschuldidaktisch aufbereiteten Ausschnitten („Videovignetten“)  dergestalt arbeiten zu lassen, dass sie zum einen lernen, die Komplexität von Unterrichtssituationen ohne Handlungsdruck theoriebasiert, aus einer kritischen Distanz zu analysieren, zum anderen über eigene Vorstellungen vom Lehren und Lernen fremder Sprachen hinsichtlich der Ziele, Inhalte, Methoden zu reflektieren.

4.3 Maßnahmen

Nach der Genehmigung des Projekts durch die Niedersächsische Landesschulbehörde und der Einwilligung zur Mitarbeit seitens der Schulleitung, der Lehrkräfte und Eltern wurden von September bis Dezember 2019 sieben Videoaufzeichnungen im Französisch- und Spanischunterricht eines Gymnasiums (Klassenstufe 6, 8 und 12) durchgeführt. Dabei kamen zwei Kameras, ein Funkmikrophon und zwei Raummikrophone zum Einsatz. Nach der Aufbereitung und Synchronisation der Daten wurden daraus Splitscreen-Vignetten, bei denen Lehrer- und Schülerkamera nebeneinander zu sehen sind, von einer Länge von 7 bis 10 Minuten geschnitten. Zu ausgewählten Videovignetten wurden Analyse- und Reflexionsaufgaben entwickelt und mit Zusatzmaterialien (z.B. fachdidaktischen Inputtexten) verbunden. Die Rohvideos, Videovignetten und Zusatzmaterialien sind auf einer passwortgeschützten externen Festplatte des Arbeitsbereichs Didaktik der romanischen Sprachen und auf gesicherten Universitätsservern gespeichert, auf die ausschließlich die Projektmitarbeiterinnen und der Projektleiter Zugriff haben. Von Januar 2020 bis zum Pandemiebeginn Mitte März 2020 konnten weitere fünf Videoaufnahmen im Französischunterricht einer Klasse 8 in einer Gesamtschule durchgeführt werden. Auch diese Videos wurden entsprechend gesichert und ausgewählte Mitschnitte hochschuldidaktisch aufbereitet. Für das Sommersemester 2020 wurde das fachdidaktische Seminar „Fremdsprachenunterricht beobachten, analysieren und reflektieren“ (Tom Rudolph / Lara A. Dittmann) angeboten, in dem ausgewählte Videovignetten zum Einsatz kamen, die in unterschiedlichen Lernarrangements mit entsprechenden Analyse- und Reflexionsaufgaben verbunden waren.

4.4 Ergebnisse

Zur Evaluation der Lehrveranstaltung wurde eine auf das Seminar spezifisch zugeschnittene Fragebogenuntersuchung durchgeführt, die darauf abzielte zu erfahren, wie die Studierenden den persönlichen Lerneffekt durch die Bearbeitung der Videovignetten und die Nützlichkeit bestimmter Aufgabenformate und digitaler Tools einschätzen. Vier Ergebnisse lassen sich festhalten (vgl. Dittmann/Rudolph erscheint). Erstens wurde bei den Studierenden mehrheitlich ein großes Bedürfnis nach Sicherung, Vergleich und Feedback im Plenum nach einer digitalen Aufgabenbearbeitung deutlich. Offenbar waren sich die Studierenden bei der schriftlichen Bearbeitung von Unterrichtsvideos durch digitale Aufgabenformate unsicher, wenn im Anschluss keine Rückmeldung über eine vermeintlich ‚richtige Lösung‘ der Aufgabe erfolgte. Zweitens empfanden die Studierenden eine inhaltliche Vorentlastung vor der Arbeit mit FSU-Videos mehrheitlich als nützlich. Im direkten Vergleich zogen sie „Theorie-Erklärvideos“ dem selbstständigen Lesen von Theorietexten vor. Im Hinblick auf universitäre Bildungsziele und Ansprüche muss diese Einschätzung kritisch hinterfragt werden. Drittens kann festgestellt werden, dass Gesprächsformate in Breakout-Räumen Diskussionen über Unterrichtsvideos in der Gesamtgruppe im Plenum vorgezogen wurden, auch wenn für die Studierenden das Plenum als Sicherungs- und Vergleichsort eine große Bedeutung hatte. Hieraus lässt sich ein Desiderat der Studierenden nach einem gestuften Think-Pair-Share-Ansatz ableiten, der bei der Konzeption von Aufgabenformaten in der Arbeit mit Unterrichtsvideos verstärkt berücksichtigt werden sollte. Viertens nahmen die Studierenden ein digitales (monologisches) Annotationstool für Unterrichtsvideos nur teilweise als bereicherndes Instrument (z.B. zur Gedankenstrukturierung) wahr und konnten damit keinen besonderen Mehrwert im Vergleich zum klassischen Anfertigen von Notizen beim Betrachten eines Unterrichtsvideos verbinden. Hieraus ergibt sich der Ausblick, beim erneutem Einsatz von Unterrichtsvideos dialogische Annotationstools (z.B. vgl. García García 2020) auszuprobieren, bei dem Studierende kooperativ Unterrichtsvideos annotieren können.

Das Seminarkonzept sowie ausgewählte Evaluationsergebnisse stellten Lara A. Dittmann und Tom Rudolph auf dem vom DigiRom-Projektteam im März 2021 organisierten Symposium „Fremdsprachliche Lehrer*innenbildung digital?“ zur Diskussion. Die Publikation (Dittmann / Rudolph erscheint) erfolgt in einem Sammelband (Bechtel / Dittmann / Fricke).

4.4 Ausblick

Im Rahmen der Ende 2021 abgeschlossenen Reakkreditierung der romanistischen Studiengänge konnte ein neues, im Bachelor angesiedeltes fachdidaktisches Modul für die Fächer Französisch und Spanisch curricular verankert werden, dessen zweite Komponente aus einem Seminar besteht, bei dem die in der „U-Vid“-Maßnahme erstellten Videovignetten und die damit verbundenen Lernarrangements zur Förderung der Analyse- und Reflexionskompetenz der Studierenden zum Einsatz kommen werden.

Bibliographie

  • Abendroth-Timmer, Dagmar / Bechtel, Mark / Chanier, Thierry / Ciekanski, Maud (2013): Grenzüberschreitendes Blended-Learning. Zur Förderung interkultureller Kompetenz in der universitären Französischlehrerausbildung. In: Rössler, Andrea (Hrsg.): Standards interkultureller Kompetenz für Fremdsprachenlehrer. Landau: Verlag Empirische Pädagogik, 165-182.
  • Bechtel, Mark (2016): Sprachenlernen im Tandem. In: Burwitz-Melzer, Eva / Mehlhorn, Grit / Riemer, Claudia / Bausch, Karl-Richard / Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht, 6. völlig überarb. u. erw. Auflage, Tübingen: Francke, 376-381.
  • Bechtel, Mark / Dittmann, Lara / Fricke, Johanna (Hrsg.) (erscheint): Fremdsprachliche Lehrerbildung digital? Frankfurt u.a.: Peter Lang.
  • Dittmann, Lara A. / Rudolph, Tom (erscheint): Fremdsprachenunterricht mit Unterrichtsvideos beobachten, analysieren und reflektieren – Konzeption und Evaluation eines fachdidaktischen Onlineseminars vor dem Hintergrund digitaler Formatvariationen. In: Bechtel, Mark / Dittmann, Lara / Fricke, Johanna (Hrsg.): Fremdsprachliche Lehrerbildung digital? Frankfurt u.a.: Peter Lang.
  • Fricke, Johanna / Thoma, Annika (erscheint): Ein Masterseminar in zwei Lernumgebungen. Potentiale und Grenzen digitaler Tools für die Digital- und Präsenzlehre. In: Bechtel, Mark / Dittmann, Lara A. / Fricke, Johanna (Hrsg.): Fremdsprachliche Lehrerbildung digital? Frankfurt u.a.: Peter Lang.
  • García García, Marta (2020): Videoannotation als Werkzeug zum Feedback und zur Reflexion im Schulpraktikum. In: Digitale Medien im Lehramtsstudium. https://www.e-teaching.org/etresources/pdf/erfahrungsbericht_2020_garcia_videoannotation.pdf
  • KMK (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland) (Hrsg.) (2004): Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss. Beschluss vom 4.12.2003, München: Wolters Klüwer, 2004. 
  • KMK (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland) (Hrsg.) (2012): Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.10.2012, o.O.