Projekt „Interaktive Lehre in den Wirtschaftswissenschaften durch Experimente und Simulationen“

Das Projekt „Interaktive Lehre in den Wirtschaftswissenschaften durch Experimente und Simulationen“ wurde im Rahmen des Programms Innovation Plus gefördert und lief von 2019 bis 2021 (Verlängerung aufgrund der Einschränkungen der Pandemie). Ziel des Projekts ist die Integration von ökonomischen Experimenten und Simulationen in das Pflichtmodul Entscheidungstheorie des Bachelors Wirtschaftswissenschaft (1. Fachsemester). Diese neue Lehrform setzt die Idee des aktivierenden Unterrichts und handlungsorientierten Lernens in einer Massenveranstaltung der grundständigen Lehre um. Dadurch wird die Lehre in sinnvoller Weise durch Digitalisierung verbessert, da Studierende auf der Basis ihres eigenen Entscheidungsverhaltens ein tieferes Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge erwerben. Durch die Veranschaulichung aller Themenbereiche des Moduls mit Hilfe von Experimenten und Simulationen wird das Verständnis entscheidungstheoretischer Grundlagen, die insbesondere für die moderne Betriebswirtschaftslehre große Bedeutung haben, vertieft.

Projekttitel: Interaktive Lehre in den Wirtschaftswissenschaften durch Experimente und Simulationen
Leitung: Prof. Dr. Robert Gillenkirch
Fachbereich: Wirtschaftswissenschaften
Mitarbeitende: Peter Dreuw, Mathias Uliczka, Studierende
Laufzeit: 2019 – 2022
Finanzierungsquelle: Land Niedersachsen, Programm Innovation Plus
Kontakt: robert.gillenkirch@uni-osnabrueck.de

1. Ausgangslage

Wirtschaften ist das planvolle Handeln bei der Erstellung und Verwendung knapper Güter zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung. Die Definition beinhaltet drei zentrale Aspekte: Das Treffen von Entscheidungen (planvolles Handeln), die Begrenztheit von Ressourcen (knappe Güter) und die Orientierung an Nutzenvorstellungen (Bedürfnisbefriedigung). Studienanfänger haben in der Regel große Schwierigkeiten, diese Aspekte auf einem abstrakten Niveau zu verstehen, um sie daraufhin auf unterschiedlichste wirtschaftliche Entscheidungssituationen anwenden zu können. Das Projekt dient dazu, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Deutschlandweit sind in den Wirtschaftswissenschaften aufgrund der generell niedrigen Curricularnormwerte und damit einhergehenden hohen Studierendenzahlen Großvorlesungen die Regel; Osnabrück bildet hier keine Ausnahme, die durchschnittliche Gruppengröße in den Pflichtveranstaltungen des Bachelor Wirtschaftswissenschaft beträgt ca. 300-400. Zu den Pflichtveranstaltungen gehört die Entscheidungstheorie im ersten Semester, in der die Grundlagen wirtschaftlicher Entscheidungen aus normativer und deskriptiver Sicht vermittelt werden. Die Veranstaltung hat eine Schlüsselrolle im gesamten Studium, denn erst durch das Verstehen der entscheidungstheoretischen Grundlagen des Fachs werden die Studierenden in die Lage versetzt, die gemeinsame Grundstruktur wirtschaftlicher Entscheidungsprobleme zu verstehen.

Die Studierenden erleben zu Beginn ihres Studiums ein neues Umfeld und neue Lehrformen, was sie vor große Herausforderungen stellt. Ungewohnt sind nicht nur die großen Vorlesungen, sondern auch der Grad der Abstraktion, die sprachliche Präzision in den Darstellungen sowie das Stoffpensum. Zwar bemühen sich die Dozentinnen und Dozenten fortwährend um eine Erhöhung der Anschaulichkeit und werden Vorlesungen durch Kleingruppenübungen ergänzt. Jedoch trägt dies nicht unmittelbar zur Aktivierung der Studierenden in der Vorlesung bei. Hier setzt das Lehrkonzept an. Es entspricht der Grundidee aktivierenden Unterrichts und handlungsorientierten Lernens (Jank und Meyer 1994) und setzt auf den in Studien belegten positiven Effekt aktivierender Unterrichtsinhalte auf Studienleistungen (Freeman et al. 2014).

2. Projektziele und Innovationsgehalt

2.1 Projektziele

Die neue Lehrform der Integration von ökonomischen Experimenten und Simulationen in eine Großveranstaltung setzt die Idee des aktivierenden Unterrichts und handlungsorientierten Lernens in der grundständigen Lehre um. Ein unmittelbares Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Qualität in der grundständigen Lehre, um den Lernerfolg der Studierenden im Bachelor Wirtschaftswissenschaften zu erhöhen. Durch die Veranschaulichung aller Themenbereiche des Moduls mit Hilfe von Experimenten und Simulationen wird das Verständnis entscheidungstheoretischer Grundlagen, die insbesondere für die moderne Betriebswirtschaftslehre große Bedeutung haben (Laux u.a. 2014), vertieft: Die Studierenden lernen handlungsorientiert, indem sie persönliche Erfahrungen mit wirtschaftlichen Entscheidungen und deren Konsequenzen machen. Zudem stehen ihnen aufgrund der Digitalisierung (Programmierung der Experimente, Automatisierung der Datenaufbereitung) die Ergebnisse unmittelbar zur Verfügung. Dadurch können sie ihr eigenes Entscheidungsverhalten einordnen und den theoretischen Grundlagen gegenüberstellen, die ihnen in der Vorlesung vermittelt werden. Ein weiteres unmittelbares Ziel besteht darin dazu beizutragen, dass den Studierenden bereits zu Beginn ihres Studiums Forschungsmethoden des Fachs nähergebracht werden: Mit der Experimentalökonomik wird eine in den Wirtschaftswissenschaften immer mehr an Bedeutung gewinnende Forschungsmethode in die Lehre integriert. Ein mittelbares Ziel des Projekts ist die Erhöhung der Lernmotivation der Studierenden. Das Projekt unterstützt das selbstgesteuerte und forschende Lernen der Studierenden, so dass diese ihr Fach nicht mehr als abstrakte Disziplin, sondern als ganz konkrete, erfahrbare Wissenschaft begreifen. Dies befähigt sie, praktische Bezüge der Lehrinhalte besser zu verstehen und selbst herzustellen, und motiviert sie, sich im weiteren Studium zukunftsfähige wissenschaftliche Bildung anzueignen. Ein weiteres mittelbares Ziel ist die Weichenstellung für eine umfassende Verwendung aktivierender, interaktiver Lehrformen in das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Osnabrück, gegebenenfalls auch in andere Studiengänge. Das Projekt kann hierfür ein Impulsgeber sein.

2.2  Innovationsgehalt

Ökonomische Experimente werden nicht nur in der Forschung, sondern auch nutzbringend in der universitären Lehre eingesetzt (Frank 1997, Emerson und Taylor 2004, Dickie 2006, Ball et al. 2006, Gremmen und van den Brekel 2013, Emerson und English 2016). Im Rahmen des Projekts wurde ein Paket von Experimenten und Simulationen entwickelt, das es erlaubt, den Studierenden eine systematische Einführung in die Grundlagen des Treffens wirtschaftlicher Entscheidungen zu geben, und zwar nicht in abstrakter Form, sondern anhand der von den Studierenden selbst getroffenen wirtschaftlichen Entscheidungen. Eigene Erfahrungen des Antragstellers mit Vorstufen eines solchen Konzepts zeigen, dass die Bereitschaft und die Fähigkeit der Studierenden, ein tiefergehendes Verständnis für wirtschaftliche Sachverhalte zu entwickeln, signifikant mit der Erfahrung zunimmt, dass es um das eigene Handeln geht. Die Experimente und Simulationen ziehen sich durch den gesamten Stoff der Veranstaltung. Der Einsatz von Experimenten in der Lehre beschränkte sich bislang in aller Regel auf (fortgeschrittene) Veranstaltungen zur Mikroökonomik (Holt 1999; Durham et al. 2007). Obwohl die Mikroökonomik auf der Entscheidungstheorie aufbaut, blenden typische Einführungsvorlesungen in die Mikroökonomik zahlreiche Aspekte des Treffens wirtschaftlicher Entscheidungen (insbesondere Unsicherheit und Urteilsbildung) aus, so dass die bestehenden Konzepte nicht einfach übernommen werden können und auch verwendbare Teil der Konzepte angepasst werden müssen. Auch ist der Einsatz von ökonomischen Experimenten in aller Regel nicht nachhaltig in dem Sinne, dass die Ergebnisse nach Durchführung den Studierenden selbst nicht weiter zur Verfügung stehen. Eine eigenständige Nachbereitung der Lerninhalte mit Hilfe der Rückschau auf die eigenen Entscheidungen und deren Folgen ist dadurch nicht möglich.

Der Innovationsgehalt des Konzepts besteht vor diesem Hintergrund in drei Aspekten, die ihm ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen: (i) Eine an Studienanfänger gerichtete, grundständige Großgruppenveranstaltung wird um Experimente und Simulationen als interaktive und aktivierende Lehr- bzw. Lernformen ergänzt. (ii) Die Experimente und Simulationen werden systematisch mit der Lehrveranstaltung verzahnt, so dass jedes Thema durch ein Experiment oder eine Simulation veranschaulicht und die Theorie den Studierenden vor dem Hintergrund der beobachteten Experimentergebnisse erläutert wird. (iii) Die Ergebnisse der Experimente und Simulationen werden den Studierenden verfügbar gemacht, so dass die Lehrmethode nachhaltig(er) wirken kann.

Das Lehrkonzept hat das Potenzial, den Lernerfolg der Studierenden nachhaltig zu verbessern. Es beinhaltet keine Abschaffung der traditionellen Vorlesung vor einer großen Hörerzahl, sondern trägt dazu bei, deren Vorteile zu erhalten und gleichzeitig einige ihrer Nachteile zu beseitigen: In der Vorlesung können weiterhin Wissens- und Verständnisgrundlagen für eine nachfolgende, eigenständige Auseinandersetzung mit dem Fach gelegt werden. Der Stoff wird den Studierenden schnell, kompakt, zielorientiert und aktuell vermittelt. Gleichzeitig aber wird durch die Ergänzung mit Experimenten und Simulationen vermieden, dass die Stoffaufnahme rein rezeptiv-passiv und daher oft ohne tieferes Verständnis erfolgt, und dass die Aufmerksamkeit der Studierenden verloren geht. Zudem wird das Lernen der Studierenden aufgrund ihrer aktiven Einbindung individueller, und auch die Unpersönlichkeit der Lernsituation besteht nicht weiter, da die Studierenden sowohl miteinander als auch mit der Dozentin bzw. dem Dozenten interagieren. All dies wirkt sich positiv auf den Lernerfolg in der Veranstaltung und erwartungsgemäß auch im weiteren Studium aus. Das Konzept ist aber auch mit alternativen Lehrformen zur traditionellen Vorlesung kombinierbar. Formen des „Flipped Classroom“ (Bergman und Sams 2012) eignen sich dafür. Studierende erhalten dann Zugang zu Videoaufzeichnungen der Vorlesungsinhalte und kommen in den Hörsaal, um das im Selbststudium erlernte in Experimenten anzuwenden und in anschließenden Diskussionen zu vertiefen.

3. Vorgehensweise, Maßnahmen und Produkte

3.1 Vorgehensweise

Zur Erfüllung des formulierten Anspruchs an den Innovationsgehalt des Konzepts waren die enge inhaltliche Verzahnung der Experimente und Simulationen mit allen Inhalten der Lehrveranstaltung sowie ihre Programmierung wesentlich. Daher wurde für den erstmaligen Einsatz des Konzepts zunächst ein Katalog von Hörsaalexperimenten sowie Simulationen entwickelt, der auf die Veranstaltungsinhalte der Pflichtvorlesung Entscheidungstheorie zugeschnitten ist. Im Einzelnen sind dies Experimente und Simulationen zum Homo Oeconomicus und alternativen Verhaltensmodellen, zu Entscheidungen bei mehreren Zielgrößen, zu Entscheidungen bei Unsicherheit, zur Bewertung unsicherer Zahlungsansprüche, zur Referenzabhängigkeit von Bewertungen, zur Informationsverarbeitung und zur Urteilsbildung. Alle Experimente wurden so programmiert, dass sie auf mobilen Endgeräten (Notebook, Tablet, Smartphone) im Hörsaal durchgeführt werden können. Die Simulationen können im Hörsaal aber auch zu Hause durchgespielt werden. Um die in den Hörsaalexperimenten gewonnenen Daten zeitnah auswerten und präsentieren zu können, wurden Auswertungsroutinen programmiert. Für die Programmierung wurde eine Open Source Software verwendet, damit zukünftig keine teilnehmerabhängigen Kosten entstehen.

Im Rahmen des Lehrkonzepts werden Studierende mit Entscheidungsproblemen konfrontiert und so gezwungen, auf der Basis ihrer eigenen Nutzenvorstellungen und ihres Informationsstandes konkrete Entscheidungen zu treffen. Handelt es sich um Individualentscheidungen, können die Probleme als Simulationen (bzw. Individualexperimente) implementiert werden. Häufig aber ist das Verhalten anderer Menschen für das eigene Verhalten wesentlich, sei es, weil es sich um eine Situation konkreter Interaktion handelt (Handel, Teamarbeit, Informationsaustausch), oder weil es dem Einzelnen als Orientierung dient (Nachahmungsverhalten, Befolgen einer sozialen Norm). In diesen Fällen ist das interaktive Experiment die bevorzugte Lehrmethode.

3.2 Maßnahmen und Produkte

Tab. 1: Gliederung der Vorlesung Entscheidung und Planung

Aus den inhaltlichen und methodischen Vorgaben ergaben sich folgende konkrete Maßnahmen für die Umsetzung des Konzepts:

(1)   Ausarbeitung eines Katalogs von Experimenten, der die Inhalte des Moduls abbildet und auf die Lehre im Hörsaal und das Selbststudium abgestimmt ist

(2)   Programmierung der Experimente und Simulationen

(3)   Anpassung der Lehr- und Lernmaterialien an das neue Lehrkonzept

Zu (1): Der Katalog wurde unmittelbar nach Projektstart 2019 ausgearbeitet. Da zur gleichen Zeit die Re-Akkreditierung der Studiengänge des Fachbereichs bevorstand und Prof. Gillenkirch Mitglied der Kommission war, die Vorschläge für die Umstrukturierung der Studienprogramme des Fachbereichs erarbeitete, ergaben sich während dieser Zeit inhaltliche Veränderungen im Aufbau der Veranstaltung, die sowohl mit dem neuen Lehrkonzept als auch mit dem neuen Bachelor-Studienprogramm zusammenhingen. Die Inhalte der Lehrveranstaltung „Entscheidung und Planung“ (neue Bezeichnung im neuen Studienprogramm) gibt Tab. 1 wieder.

Zu (2): Die Experimente und Simulationen wurden auf der Plattform SoPHIE (Software platform for Human Interaction Experiments) programmiert. Obwohl einige der Experimente sehr gut bekannt sind (etwa das Diktator- und Ultimatumspiel), mussten diese neu programmiert werden, um Urheberrechtsprobleme zu vermeiden. Andere Experimente bzw. Simulationen wurden vollständig neu erarbeitet und programmiert. Ein kleinerer Teil der Arbeiten konnte bereits bis zum Beginn des Wintersemesters 2019/2020 fertig gestellt werden. Aufgrund des Ausbruchs der Pandemie verzögerten sich die Arbeiten am Projekt, eine Verlängerung wurde beantragt und bewilligt. Auch im Wise 2020/2021 war daher noch nicht der gesamte Katalog an Experimenten verfügbar.

Das Gesamtkonzept wurde schließlich im Wintersemester 2021/2022 eingesetzt. Durch den Wechsel auf Online-Lehre wurden die Experiment-Sessions ebenfalls online durchgeführt. Diese Form der Durchführung ist für das Projekt eher nützlich als schädlich: Studierende nahmen von zu Hause an den Experimenten teil und wurden über Video-Konferenzen durch die Instruktionen der Experimente geleitet. Dadurch ergab sich kein Bruch in der Veranstaltung, der bei der Durchführung im Hörsaal auffällig und sehr hinderlich war: Zahlreiche Studierende hatten große Schwierigkeiten, während und nach den Experimenten im Hörsaal die Konzentration auf die Vorlesungsinhalte zu lenken. Der Gesamteindruck des Dozenten, dass elektronische Geräte, insbesondere Smartphones, Gift für die Konzentration auf eine Lehrveranstaltung sind, bestätigte sich im Hörsaal. Anders in den Videokonferenzen, in denen die Geräte für die Experimente in gleicher Weise genutzt wurden wie für die Lehrveranstaltung selbst.

Zu (3): Obwohl zu den einzelnen Experimenten standardisierte Berichte programmiert wurden und daher unmittelbar nach Durchführung des Experiments vorlagen und in der Vorlesung eingesetzt werden konnten, wurden für die Vorlesung zusätzliche Lehr- und Lernmaterial erstellt, die Hintergrundinformationen zu den Experimenten lieferten. Für die Anwendung im Wise 2021/2022 wurde erstmals das Konzept in Courseware abgebildet. Abb. 1 zeigt einen Screenshot der Veranstaltungsstruktur in Courseware. Aufgrund des Wechsels der Veranstaltungsform vom Hörsaal in eine Online-Form enthält die Übersicht auch Rubriken zu Erklärvideos.

Zu (2): Die Experimente und Simulationen wurden auf der Plattform SoPHIE (Software platform for Human Interaction Experiments) programmiert. Obwohl einige der Experimente sehr gut bekannt sind (etwa das Diktator- und Ultimatumspiel), mussten diese neu programmiert werden, um Urheberrechtsprobleme zu vermeiden. Andere Experimente bzw. Simulationen wurden vollständig neu erarbeitet und programmiert. Ein kleinerer Teil der Arbeiten konnte bereits bis zum Beginn des Wintersemesters 2019/2020 fertig gestellt werden. Aufgrund des Ausbruchs der Pandemie verzögerten sich die Arbeiten am Projekt, eine Verlängerung wurde beantragt und bewilligt. Auch im Wise 2020/2021 war daher noch nicht der gesamte Katalog an Experimenten verfügbar.

Das Gesamtkonzept wurde schließlich im Wintersemester 2021/2022 eingesetzt. Durch den Wechsel auf Online-Lehre wurden die Experiment-Sessions ebenfalls online durchgeführt. Diese Form der Durchführung ist für das Projekt eher nützlich als schädlich: Studierende nahmen von zu Hause an den Experimenten teil und wurden über Video-Konferenzen durch die Instruktionen der Experimente geleitet. Dadurch ergab sich kein Bruch in der Veranstaltung, der bei der Durchführung im Hörsaal auffällig und sehr hinderlich war: Zahlreiche Studierende hatten große Schwierigkeiten, während und nach den Experimenten im Hörsaal die Konzentration auf die Vorlesungsinhalte zu lenken. Der Gesamteindruck des Dozenten, dass elektronische Geräte, insbesondere Smartphones, Gift für die Konzentration auf eine Lehrveranstaltung sind, bestätigte sich im Hörsaal. Anders in den Videokonferenzen, in denen die Geräte für die Experimente in gleicher Weise genutzt wurden wie für die Lehrveranstaltung selbst.

Zu (3): Obwohl zu den einzelnen Experimenten standardisierte Berichte programmiert wurden und daher unmittelbar nach Durchführung des Experiments vorlagen und in der Vorlesung eingesetzt werden konnten, wurden für die Vorlesung zusätzliche Lehr- und Lernmaterial erstellt, die Hintergrundinformationen zu den Experimenten lieferten. Für die Anwendung im Wise 2021/2022 wurde erstmals das Konzept in Courseware abgebildet. Abb. 1 zeigt einen Screenshot der Veranstaltungsstruktur in Courseware. Aufgrund des Wechsels der Veranstaltungsform vom Hörsaal in eine Online-Form enthält die Übersicht auch Rubriken zu Erklärvideos.

Abb. 1: Struktur der Veranstaltung in Courseware

3.3 Übersicht über die entstandenen Experimente

Tab. 2 gibt einen Überblick über alle programmierten und in der Veranstaltung eingesetzten Experimente.

Tab. 2: Experimente

4. Ergebnisse & Evaluationen

Das Projekt wurde nicht separat evaluiert, da es vollständig in die Lehrveranstaltung integriert ist. Die Lehrveranstaltung selbst wird durch Prof. Gillenkirch stets evaluiert. Abb. 2 zeigt die Evaluationen der vergangenen Semester in einer Mehrjahresübersicht. (Die farbigen Bewertungen fehlen ab 2019/2020, da sie während der Pandemie nicht ausgewiesen wurden.)

Abb. 2: Lehrevaluationen der Veranstaltung Entscheidungstheorie

Der Einsatz der Experimente in der Veranstaltung wurde in den Freitextkommentaren zur Lehrveranstaltung durchgängig äußerst positiv aufgenommen. Darüber hinaus ist eine Beurteilung des Projekterfolgs aus mehreren Gründen unmöglich. Erstens hat sich zwar wie in Abb. 2 zu erkennen der subjektive Lernerfolg der Studierenden verbessert. Gleichwohl fällt diese Verbesserung in den Zeitraum der Pandemie, in dem Studierende ihr Lernverhalten völlig umstellen mussten. Zweitens erhält die Veranstaltung zwar eine zunehmend bessere Bewertung. Nach Einschätzung des Dozenten wurden jedoch mit Ausbruch der Pandemie die Unterschiede zwischen der Lehrveranstaltung und anderen Lehrveranstaltungen nicht allein wegen des Projekts größer, sondern vor allem auch wegen der Unterschiede in der Online-Lehre (Freitextkommentare belegen diese Vermutung). Drittens sind die Bewertungen für die Veranstaltung, zumindest gemessen am Durchschnitt im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, konstant sehr gut. Ein signifikanter Effekt des Projekts auf die Evaluationsergebnisse war daher ohnehin nicht zu erwarten.

5. Ausblick

Das Konzept wird vom Wintersemester 2021/2022 an eingesetzt. Die Form der Durchführung der Experimente (in einzelnen Vorlesungen, geblockt in speziellen „Experimentsessions“) befindet sich noch in einer Testphase.

Das Konzept kann für den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften eine Pilotfunktion für weitergehende Aktivitäten haben. Hierzu gibt es (Stand: März 2020) auch bereits konkrete Planungen.

Literatur

  • Ball, S. B., C. Eckel, und C. Rojas (2006). Technology improves learning in large principles of economics classes: Using our WITS. The American Economic Review 96 (2), 442-446.
  • Bergmann, J. und A. Sams (2012). Flip your classroom: Reach every student in every class every day. International society for technology in education.
  • Charness, G. et al. (2013). Experimental methods: Eliciting risk preferences. Journal of Economic Behavior & Organization 87, 43-51.
  • Dickie, M. (2006). Do classroom experiments increase learning in introductory microeconomics? The Journal of Economic Education 37 (3), 267-288.
  • Durham, Y., T. McKinnon und C. Schulman (2007). Classroom experiments: Not just fun and games. Economic Inquiry 45(1), 162-178.
  • Emerson, T. and B. Taylor (2004). Comparing student achievement across experimental and lecture-oriented sections of a principles of microeconomics course. Southern Economic Journal 70 (3), 672-693.
  • Emerson, T. L., und English, L. (2016). Classroom Experiments: Is More More?. American Economic Review, 106(5), 363-67.
  • Frank, B. (1997). The impact of classroom experiments on the learning of economics: An empirical investigation. Economic Inquiry 35 (4), 763-769.
  • Freeman, S. et al. (2014). Active learning increases student performance in science, engineering, and mathematics. Proceedings of the National Academy of Sciences 111 (23), 8410-8415.
  • Gremmen, H., und van den Brekel, G. (2013). Do Classroom experiments increase student motivation? A pilot study. European Scientific Journal 9(19).
  • Holt, C.A. (1999). Teaching economics with classroom experiments: A symposium. Southern Economic Journal, 603-610.
  • Jank, W. und H. Meyer (1994). Handlungsorientierter Unterricht – Grundbegriffe und Merkmale.