Inverted / Flipped Classroom

Der umgedrehte Klassenraum

In einem Inverted / Flipped Classroom (ICM/FC) werden die Bestandteile traditioneller Lehrveranstaltungen, insbesondere Vorlesungen, umgedreht: Die oftmals frontale Vermittlung theoretischer Inhalte wird nicht mehr vor Ort in der gemeinsamen Präsenzzeit vorgenommen, sondern in das Selbststudium VOR den Präsenzsitzungen ausgelagert.

Die Studierenden erarbeiten sich den theoretischen Input in Eigenregie anhand vorgegebener Materialien wie z.B. Texten, Lehrvideos, Podcasts o. ä.. Sie können in ihrem individuellen Tempo vorgehen und entscheiden, wann sie sich das Wissen vor der nächsten Sitzung aneignen. Sie tragen die Verantwortung für ihre Vorbereitung.

Die Lehrveranstaltungszeit vor Ort wird dann gezielt zum Klären von Fragen und zur Verarbeitung, Vertiefung und Anwendung des neu angeeigneten Wissens genutzt. Die Verantwortung für die didaktische Gestaltung der Vorbereitungsmaterialien und der Präsenzphasen liegt bei den Lehrenden.

Vorbereitung

Eine traditionelle Lehrveranstaltung vollständig in einen Flipped / Inverted Classroom umzugestalten geht mit hohem Aufwand einher:

  • Sie müssen Selbstlernmaterialien und ggf. auch Unterstützungsangebote (Scaffoldings) für die Organisation des Selbststudiums erstellen und zugänglich machen.
  • Sie müssen die Präsenzzeit vor Ort methodisch und didaktisch so konzipieren, dass Vertiefungs- und Anwendungsaufgaben möglich sind.

Der Aufwand lohnt sich besonders dann, wenn Sie eine Lehrveranstaltung mehrmals durchführen und die erstellten Materialen und erprobten Methoden wiederholt einsetzen können.

Grafik: Eine Lehrperson steht an einer Tafel und erläutert dem in Reihen dahinter sitzendem Publikum etwas. Rechts daneben ist farblich abgesetzt eine einzeln an einem Schreibtisch sitzende Person im Selbststudium.
Grafik: Links im Bild sitzt eine Person und lernt im Selbststudium, rechts steht eine Lehrperson in einem Raum mit mehreren Lerngruppen von 3-4 Personen.
Ruhr-Universität Bochum. Lehre laden. Lizensiert unter CC BY NC SA 4.0, Bildaufbau verändert, Originaldatei.

Entscheidungshilfe: To Flip or not To Flip?

Nicht jede Veranstaltung bietet sich zum flippen an. Um den Entscheidungsprozess zu unterstützen, hat Shawn R. Simonson eine englischsprachige Informationssammlung mit einer Entscheidungsmatrix erstellt:

  • Simonson, S. R. (2017). To Flip or Not to Flip: What Are the Questions? Education Sciences, 7, 3, 71. https://www.mdpi.com/2227-7102/7/3/71
  • Eine Handreichung zu Simonsons Artikel inkl. deutscher Übersetzung der Entscheidungsmatrix finden Sie hier: Pöpel, N. & Morisse, K. (2018). Handout zur Entscheidungsfindung & Reflexion für Inverted & Flipped-­Classroom-­Veranstaltungen. OER, Hochschule Osnabrück. PDF-Download auf ResearchGate

Unser Tipp

Drehen Sie nicht gleich eine komplette Lehrveranstaltung um, sondern fangen Sie in einem Semester mit einzelnen ausgewählten Sitzungen an, die Sie flippen. Besonders empfehlen möchten wir Ihnen dazu das Themennetz Flipped Classroom auf wb-web.de. Dort finden Sie viele konkrete Informationen und Beispiele, wie Sie einzelne Sitzungen oder Ihre gesamte Veranstaltung flippen können.

Fokus Studierende: Selbstregulationskompetenzen im umgedrehten Klassenraum

Damit Studierende nachhaltig im Inverted /Flipped Classroom lernen, müssen sie sich regelmäßig mit den Inhalten vor den Sitzungen eigenständig beschäftigen und an den Präsenzsitzungen teilnehmen. Das Durchhalten im ICM/FC erfordert daher hohe Selbstlern- und Selbstregulationskompetenzen, über die jedoch nicht alle Studierenden bereits ausreichend verfügen.

Bedenken Sie daher bei der Planung, selbstregulationsschwache Studierende zu unterstützen.

Weiterführende Informationen dazu finden Sie in diesem Artikel:

Inverted Classroom & EduScrum

Die Scrum-Methodik von Sutherland und Schwaber (Sturm & Rundnagel, 2021) ist ein etabliertes Vorgehensmodell in der Software-Entwicklung und dem Projektmanagement. Scrum bietet durch definierte Rollen, Artefakte und Ereignisse einen Rahmen in dem inkrementell an der Entwicklung eines Produktes gearbeitet werden kann. Diese Inkremente werden in Arbeitszyklen (Sprints) erarbeitet, bei denen die stetige Verbesserung des Produktes und der Arbeitsweise im Fokus stehen. Mit eduScrum wird Scrum in die Lehre übertragen (ebd.).

Das Konzept des Inverted/Flipped Classrooms und Scrum ergänzen sich sehr gut. Die Anleitungen zur Arbeitsprozessorganisation können z.B. für Studierende mit geringeren Selbstorganisationsfähigkeiten hilfreich sein.

Der Gastvortag von Prof. Karsten Morisse (Hochschule Osnabrück) aus dem Jahr 2022 beschreibt die Umsetzung der Kombination des Inverted Classrooms mit Scrum im Kontext seiner Informatik-Grundlagenveranstaltung Algorithmen & Datenstrukturen (2. Fachsemester) an der Hochschule Osnabrück.

Vortragsinhalte

  • Inverted Classroom & Scrum – Wie lässt sich das in der Lehre verbinden? (07:30)
  • Allgemeines zum Flipped/Inverted Classroom-Lehrkonzept (08:53)
  • Umsetzungsbeispiele: Entwicklung der eigenen ICM-Veranstaltungen (16:27)
  • Exkurs: Scrum & EduScrum (33:20)
  • ICM und Scrum im Zusammenspiel: Beispiele (43:12)

Weiterführende Informationen

Autorinnen: Johanna Fricke & Nathalie Pöpel, Stand: 22.03.2024; Lizenz: CC BY 4.0

Zitiervorschlag: Fricke, J. & Pöpel, N. (2024). Inverted/Flipped Classroom. Infoportal Lehre. Universität Osnabrück. [Weblink].