Projekt SSG@IIT – Spracherwerbsbewusste Studiengangsgestaltung am Institut für Islamische Theologie. Ein Zwischenbericht zum Design-Based-Research Projekt

„Es gibt mehrere Beweise von Hadith [=Grundlagentexten], die zeigen […]“. So ist es in einem Text aus der Studieneingangsphase zu lesen; ein Studierender aus der Studienendphase formuliert hingegen wie folgt: „Anhand der Interpretationen unterschiedlicher Hadithe [bzw. Grundlagentexte] zu spezifischen Rechtsfragen ist deutlich zu sehen […]“. Diese hier deutlich werdende sprachliche Entwicklung von epistemisch platten zu differenzierten abgestuften Formulierungen sind in der ein oder anderen Weise in studentischen Aneignungsverläufen jeglicher Disziplin nachweisbar (s. für Germanistik Pohl 2007 und für zwei weitere Disziplinen Steinhoff 2007). Schließlich ist das Lernziel im Studium die Beherrschung der vom Fachdiskurs geprägten Wissenschaftssprache. Bisher werden die vielfältigen sprachlichen Entwicklungen kaum in der Gestaltung von Studiengängen bewusst berücksichtigt. Im hier beschriebenen Projekt liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung der Studieneingangsphase in den Studiengängen des IIT.[1]

Projekttitel: Spracherwerbsbewusste Studiengangsgestaltung am Institut für Islamische Theologie – SSG@IIT
Verortung: Institut für Islamische Theologie (IIT) in Kooperation mit dem Sprachenzentrum (SPZ)
Leitung: Irene Vogt, M.A. (IIT), Prof. Dr. Bülent Ucar (IIT), Stefan Serwe (Sprachenzentrum, SPZ)
Laufzeit: 07/2021 – 12/2022
Finanzierungsquelle: Land Niedersachsen, Programm Innovation Plus
Kontakt: irene.vogt@uni-osnabrueck.de, bucar@uni-osnabrueck.de

1. Ausgangslage und Hintergrund

Einleitend möchten wir Ausgangslage und Hintergrund einerseits aus der Perspektive des Fachs und andererseits aus einer stärker sprachdidaktischen Perspektive darlegen. Im ersten der beiden folgenden Unterkapiteln geht es also darum, die wissenschaftstheoretischen Prämissen der islamischen Theologie in ihrem geschichtlichen Verlauf zu skizzieren. Im zweiten Unterkapitel werden punktuell die Herausforderungen für die Studierenden heute und didaktische Überlegungen hinsichtlich der Wissenschaftssprache angeschnitten.

1.1 Zur Historie und Epistemologie der islamischen Theologie

In der Frühzeit sah die muslimische Urgemeinde im Wesentlichen unter der Unterweisung des Propheten in Medina und Mekka von naẓar, also der komplexen kritischen Reflexion von religiösen Normen und Überlieferungen, ab. Göttliche Mitteilungen wurden eher durch einfaches Räsonieren angenommen oder abgelehnt. Die meisten Menschen im Hedschaz befanden sich geographisch und geistig in der Urgemeinde als Erstadressaten des Korans fernab von akademischen Disputen griechisch geprägter Gelehrsamkeit. Erst mit dem Einfluss der damaligen Hochkulturen im Laufe der Zeit nach den Eroberungen des gesamten Nahen Ostens wurde der Weg für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten geebnet. Daraus ging – zunächst als religionswidrige Neuigkeit verketzert – die kalām-Wissenschaft als systematisch-spekulative Sub-Disziplin der Theologie hervor. Das durch und durch rational geprägte hellenistische Denken griff immer mehr in die Rezeption der islamischen Geistesgeschichte ein und konnte sich vom Rand mit der Zeit in die Mitte islamischer Gelehrsamkeit hinbewegen und sich dort bis in unsere Gegenwart festsetzen. Später wurde das Repertoire der bisher beschriebenen Entwicklung und Grundhaltung unter anderem durch die Orientierung an der Lehre der Logik ergänzt. Auf epistemologischer Ebene betraf dies neben dem kalām auch die usūl al-fiqh, die das griechische Denken durch Zuhilfenahme dieses methodischen Vehikels mit der Zeit nahezu vollständig internalisierte. Ab diesem Zeitpunkt mussten sich Gelehrte bei offenkundigen Widersprüchen zwischen der ratio und religiösen Aussagen an den evidenten Kriterien der Vernunft orientieren und religiöse Überlieferungen, Traditionen, Texte und sonstige Wissensbestände entsprechend umdeuten. Die Urgemeinde und die daran anschließende Frühgemeinde schwiegen in der Regel zu solchen Themen und betrachteten den Diskurs hierüber als unnötiges Ausschweifen, das dem Seelenheil nicht dienlich sei. Auch wenn hierdurch eine auf Kohärenz abzielende Systematisierung und Neustrukturierung islamischer Wissensbestände und Überlieferungen erfolgte, unterzogen Gelehrte, die sich lieber dem Glaubensgehorsam und der hingabeorientierten Frühzeit zuwandten, sowohl die Logik als auch die Orientierung an der ratio als wesentliches Element islamischer Theologie einer ständigen kritischen Würdigung. Ob ein solcher Widerspruch überhaupt bestehen könne, wurde grundsätzlich ontologisch und epistemologisch in Frage gestellt. Wenn Vernunft und göttliche Offenbarung bzw. Mitteilung aus derselben Quelle stammten, dann könnte es einen solchen Dissens nicht geben. Dieser existiere nur in der fehlgeleiteten bzw. beschränkten menschlichen Rezeption und Wahrnehmung. Die Wortführer der neuen Mehrheit unter den Gelehrten drehten den Spieß um und argumentierten, dass der Schöpfer selbst durch die göttliche Rede in menschlicher Sphäre und Sprache es zugelassen habe, die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen zur verbindlichen Kategorie in diesem Kontext zu erheben. Vorgelagert zu diesem Streit war nämlich die erkenntnistheoretische Fragestellung in Bezug auf die Rolle der Vernunft als Unterscheidungskriterium für die Glaubenswahrheit. Denn der Mensch könne die göttliche Mitteilung in der Ur-Fassung zu Beginn nur mit der Vernunft und seinen Sinnen, mit Kopf und Herz ganzheitlich, bestätigen oder ablehnen. Scharlatanerie könne von der wahrhaften Prophetie erst durch das Kriterium der Vernunft unterschieden werden, weshalb für dieses auch später bei der Rezeption religiöser Normen und Überlieferungen eine Primatstellung postuliert wird. Im Zuge dieser vielschichtigen und pluralen Kontroversen und Dispute wurde der kalām entweder als Ganzes oder im Hinblick auf die Glaubenssätze als zwingendes Kollektivgebot für die muslimische Gemeinschaft (farḍ kifāya) eingeordnet. Damit orientierte sich die islamische Theologie seit jeher an den allgemeinen wissenschaftlichen Standards und bildete somit keine Sonderhermeneutik. Allerdings unterscheidet sie sich von anderen akademischen Fachdisziplinen dadurch, dass sie einige Glaubensprämissen festsetzt, die sie auch meint rational plausibilisieren zu können, wie etwa den Glauben an Gott, das jenseitige Leben und die Prophetie. Ob die aufgezählten Glaubenssätze tatsächlich rational und zugleich intersubjektiv plausibel zu begründen sind, darüber ließe sich freilich kontrovers streiten.

Bezogen auf die Gegenwart hatten verschiedene Epochen wie die Renaissance und Aufklärung einen erheblichen nachgelagerten Einfluss auf die islamische Geistesgeschichte. Wie schon bei der Begegnung mit der griechischen Philosophie im 9. Jahrhundert kristallisiert sich bei den Muslimen keine eindeutige Position heraus. Als heute äußerst bedeutsame Teildisziplin widmet sich der kalām unmittelbar dem Wesen Gottes und ebenfalls der Kosmologie und der Epistemologie, die sich in der Moderne außerhalb des Rahmens der Theologie befinden. Auf Grundlage dessen wird der kalām, noch allgemeiner die Theologie, in der Moderne als Glaubenswissenschaft begriffen. Allerdings beanstanden einige Theologen die Symmetrie von kalām und der Theologie und fordern Abstufungen zwischen den beiden Begriffen. Durch die akademische Etablierung der Islamischen Theologie an staatlichen Universitäten im 20.Jahrhundert in der sogenannten islamischen Welt und im Spezifischen in Europa und in Deutschland in den letzten Jahren bekam die akademische Beschäftigung mit religiösen Wissensbeständen einen enormen rationalen Schub. Gleichzeitig führte die Verkopfung der Theologie zu einer gewissen Entzweiung und zu Entfremdungsprozessen zwischen den akademischen Theologen und den religiösen Milieus insbesondere in Deutschland. Die universitäre Theologie bildet eine große Chance für eine kritisch-analytische Reflexion des Islams, wodurch erforderliche Anpassungsprozesse theologisch verantwortbar und wissenschaftlich redlich vollzogen werden können. Andererseits wird von vielen Muslimen eben dieser Umstand als staatlich protegierte Verfremdung ihrer Glaubensüberzeugungen wahrgenommen. Deshalb müssen hier Brücken geschlagen werden, da Theologie auch als normative Disziplin in die Gemeinden hineinwirken möchte. Um der Spannung von Rationalität und Spiritualität gerecht zu werden, benötigen die Kriterien wissenschaftlicher und überprüfbarer Arbeit eine Ergänzung um die Aspekte der Relevanz, intersubjektive Plausibilität, Traditionswürdigung und Originalität. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Glaubensinhalte zu bewahren und für die Allgemeinheit wissenschaftlich nachprüfbar zu machen. Hierbei ist eine reflektierte methodische Herangehensweise zur Erkenntnisgewinnung nötig. Theoretische und empirische Forschungsmethoden bilden, wie auch in anderen Theologien, die grundlegenden Verfahren bei der Erkenntnisgewinnung. Gerade die Nachbardisziplinen aus den Kulturwissenschaften können eine neue, originelle Befruchtung und Weiterentwicklung islamischer Gelehrsamkeit bewirken, wobei die Theologie hierdurch nicht mit einer Religionswissenschaft verwechselt werden darf und ihre normative und historisch entwickelte Eigenart beizubehalten hat.

Im Hinblick auf die bereits erwähnte Epistemologie der islamischen Theologie ist zu resümieren, dass es sich bei dieser nicht um eine separate und abweichende Standardisierung des methodischen Denkens in Bezug auf den Glauben handelt. Sie orientiert sich an allgemeinen wissenschaftlichen Kriterien und basiert auf tradierten normativen Prämissen. Zu diesen gehören im Wesentlichen der Glaube an Gott und an ein Leben nach dem Tod, sowie die Annahme des Korans als Wort Gottes. Nach Ibn Rushd, bekannt unter dem latinisierten Namen Averroes, bilden diese drei Elemente die Glaubensquintessenz des Islam.

2.2 Sprachdidaktische Überlegungen hinsichtlich der Studierendenschaft von heute

Der aktuelle bildungspolitische Diskurs geht – als besondere Herausforderung dieser Zeit – oftmals von einer erhöhten Heterogenität der Studie­ren­den­schaft aus. Der Wandel der Heterogenität der Studierendenschaft mag zwar, wie die Kolleginnen Weh­king, Lotze und Schwarze (2021, 9) unterstreichen, schwer zu erfassen sein, aufgrund der (natio­nalen und) internationalen Migration der letzten Jahrzehnte und der sog. „Bildungs­hinter­grün­de“[2] der Studie­ren­den kann allerdings zumindest auf den Ist-Stand bezogen durchaus eine Diversität der Studierenden­schaft konstatiert werden. So dokumentieren eindrücklich Makrinus & Tänzer (2012) beispielsweise die heterogenen „Studienbedingungen und Lernvoraussetzungen“ der Studie­ren­den. Es ist anzunehmen, dass in den Bachelor-Studiengängen des IIT der Anteil von Arbeiter­kin­dern und Bildungsausländer­*innen besonders hoch ist, auch wenn Daten hierzu bisher fehlen. Eine deutlich höhere Anzahl der Studierenden des IIT (MIS Universität Osnabrück 2021, Abruf 4. Oktober 2021) im Vergleich zu den Gesamtzahlen für die Universität Osnabrück haben jedenfalls die Hochschulzugangsberechtigung über die Fachhochschulreife (25% IIT vs. 7% alle Fachrichtungen) und die Berufsqualifizierung (8% IIT vs. 2% alle Fachrichtungen) erreicht. Nach den Erfahrun­gen der Lehrenden am IIT zeigen sich zudem große Binnen­unter­schiede und für einige Studierenden ein grundlegender Unter­stützungs­bedarf im Bereich wissenschafts­sprachlicher Kompetenzen. Ganz gleich, ob nun Verände­run­gen im Vergleich zu voran­gegan­genen Jahrzehnten fundiert ermittelt werden können oder nicht, basierend auf der derzeitigen Lehr­er­fahrung und Situationslage ist eine Diskrepanz festzustellen: Auf der einen Seite stellt sich die Studierenden­schaft als äußerst heterogen dar, insbesondere auch bezogen auf deren Sprachkompetenzen; auf der anderen Seite jedoch werden diese vielfältigen Voraussetzungen bisher strukturell weder in den Studiengängen noch in hochschul­didak­ti­schen Angeboten allgemein in ausreichendem Maße reflektiert und dementsprechend nicht ange­mes­sen in der Lehre berücksichtigt.

Hinsichtlich der Förderung wissenschaftssprachlicher Kompetenzen betont die sprachdidaktische Forschung den das ganze Studium umfassenden Lern­pro­zess und empfiehlt eine eng mit dem Fach verzahnte Unterstützung (Steinhoff 2007, Pohl 2007). Die Studien­gänge am IIT sind bisher – wie allgemein üblich – inhaltlich ausgerichtet und sehen keine integrierte Sprachförderung vor. Idealtypisch setzt eine spracherwerbsbewusste Lehre auf mehreren Ebenen an: erstens, auf der Mikroebene der Lehrveranstaltung, z.B. bei der sprachlich reflektierten Erarbeitung von Aufgabenstellun­gen, Feedback- oder Prüfungsformaten (vgl. Bartel 2019); zweitens, auf der Mesoebene des jeweiligen Studiengangs, z.B. der gezielten Analyse der Anforderungen an wissen­schaftssprachliche Handlungs­kompetenzen, die die Modulbeschreibungen vorgeben; und drittens, der Makroebene des Instituts, des Austauschs über Aneignungsphasen und potentiellen Fördermöglichkeiten für Lehrende sowie des Aushandelns sprachlicher Normvorstellungen (vgl. Flash 2016).

Das als Design-Based-Research-Projekt (DBR-Projekt) konzipierte und hier vorgestellte Projekt umfasst auch eine breit aufgestellte Analyse der Ausgangssituation; die derzeit durchgeführte Bedarfsanalyse wird in Abschnitt 6.1 genauer erläutert.

2. Zielsetzungen

Die Zielsetzungen sind auf mehreren Ebenen zu verorten: Zunächst sind die Ziele des DBR-Projekts SSG@IIT anwendungs­bezogen; es geht also – wie Collins, Joseph & Bielaczyc beschreiben – darum,

to carry out formative research to test and refine educational designs based on principles derived from prior research.

(Collins, Joseph & Bielaczyc 2004, 15)

Über die kontextuell gebundene Innovation hinaus wird zudem in DBR-Projekten das wissenschaftli­che Ziel verfolgt, über eine schrittweise Verallgemeinerung der Ergebnisse übertragbare Lehr-/Lern­prinzipien zu ermitteln (s. Reinmann 2018). Nach mehr als 15 Jahren nach Reinmanns Plädoyer für einen DBR-Ansatz (2005) ist er in der deutschsprachigen Forschung zur Hochschullehre größtenteils anerkannt. In Anlehnung an Flechsig entwerfen Reinmann & Vohle folgende sechs Leitlinien, die als „Grund­prinzi­pien und Gütekriterien“ (2012, 27) entwicklungsorientierter Bildungsforschung dienen und deren letzte Leitlinie (f) insbesondere auf die aus Forschungsperspektive relevanten und zu ermittelnde Zielsetzung, d. h. die über schrittweise Verallgemeinerungen erfolgte Ermittlung von Lehr-/Lernprinzipien, verweist:

  • theoretische und empirische Positionierung […],
  • evaluationsbasierte Reflexion […],
  • gestaffelte Konfrontation von Theorie und Praxis […],
  • mehrfaches Durchlaufen zentraler Phasen […],
  • transparente und verständliche Dokumentation […] und
  • schrittweise Verallgemeinerung […]. (Reinmann & Vohle (2012, 28)

Eine ausführlichere Dokumentation der Umsetzung dieser Aspekte erfolgt aufgrund der Rahmenbedingungen dieser Publikation andernorts.

Hinsichtlich der Bildungspraxis selbst kann eine Hierarchie von Lern-/Lehrzielen beschrieben werden. Mithilfe des DBR-Projekts SSG@IIT wird das Leitziel angestrebt, die studentischen Kompetenzen in der Wissenschaftssprache Deutsch und somit Kernkompetenzen der Absolvierenden mittels einer den sprachlichen Erwerb berücksichti­genden Weiterent­wicklung der Studiengänge Islamische Theologie und Islamische Religion insbesondere auf Mikro-, Meso- und Makroebene zu verbessern, damit eine Teilhabe an der ‚Community of Practice‘ (Lave & Wenger 1991), und somit des Forschungszusammenhangs, möglich wird. Dieses Leitziel kann dabei drei der vier Q-Zielen der Universität Osnabrück (UOS 2016) zugeordnet werden: Über den Aspekt Sprache im Fach und Fach durch Sprache nimmt es besonders die wissenschaftliche Bildung (s. Q-Ziel 1) in den Blick, über den Aspekt der Binnendifferenzierung und Explizitmachung impliziten sprachlichen Handlungswissens zielt es auf die individuelle Professionalisierung ab (s. Q-Ziel 3) und über die Reflexion wissenschaftlicher Kommunikationsräume und des eigenen wissenschaftssprachlichen Handelns im Rahmen wissenschaftlichen Arbeitens werden die Bereiche der persönlichen Reflexivität, Selbst- und Sozialkompetenz sowie die Verantwortung von Wissenschaft und die Bedeutsamkeit guter wissenschaftlicher Praxis adressiert (s. Q-Ziel 4).

Konkret verfolgt das Projekt die Grobziele, Studierende insbesondere in der BA-Studieneingangs­pha­se bei der Aneignung der Wissenschaftssprache Deutsch gemäß ihrer heterogenen Voraus­set­zun­gen bedarfs- und zielorientiert zu unterstützen, kritisch reflektierte rezeptive und produktive Sprachkom­pe­tenzen zu fördern und dadurch auf die sprachlichen Anforderungen in den Berufsfeldern Theologie und Schule vorzu­be­rei­ten.

Wie die universitätsbezogenen Studien der Spracher­werbs­forschung konstatieren, ist der Aneig­nungs­prozess eigentlich nicht punktuell auf einen Studien­abschnitt beschränkt. Insofern ist das Projekt als ein Aufschlag zu verstehen, das den Fokus insbesondere auf die Phase des Übergangs zwischen Lerninstitutionen als potentielle Hürde im Bildungssystem richtet und frühzeitig erste Weichen im Lernweg stellt.

Die Zielsetzungen sind dabei den Lehr-/Lernzielen der einzelnen Maßnahmen des IIT und den über die Datenerhebung ermittelten Bedarfen verhaftet; diese bedingen sich gegenseitig und werden im vorliegenden Fall über doppelte Qualitätsschleifen nicht nur an einzelne Lernziele von Veranstal­tun­gen, sondern auch an die instituts­bezogenen Leitziele und Curricula rückgebunden, die gegebe­nen­falls neu auszuhandeln und nachzujustieren sind (vgl. zum Doppelschleifen-Lernen, Argyris & Schön 2002, 35-36, zur Curriculum Design Research vgl. van den Akker 2010).

Die allgemein universitären und institutionsspezifischen Rahmenbedingungen führen derzeit aufgrund der grundsätzlich für das berufliche Weiterkommen geringeren Relevanz von Lehre und aufgrund der mehrheitlich befristeten Anstellung von Lehrenden auch im Kernbereich des Fachs zu einer potentiellen Flüchtigkeit der Lehrqualität (s. auch Entwicklung der Lehrenden; Shulman 2002) und einem zum Großteil auf Idealismus beruhenden Engagement in der Lehre. Ein gewünschtes Ziel des Projekts ist es, über eine transparente und nachvollziehbare Dokumentation (s. auch Vademecum) und Aufbereitung der Materialien dennoch langfristigere Effekte erzielen zu können.

3. Grundlagen: Theoretische Positionierung

Eine Entwicklungsforschung in Bildungskontexten (vgl. van den Akker 1999) zeichnet sich auch durch die wissen­schaft­liche Fundierung aus. Für das Projekt SSG@IIT ist insbesondere eine Positionierung im Forschungsfeld der Aneignungsperspektive auf und Didaktisierung von Wissenschaftssprache und der Hochschuldidaktik angebracht.

Wissenschaftssprache(n) werden seit den 1980er Jahren intensiv erforscht, seit über zehn Jahren ist auch ihr Erwerb in den Forschungsfokus gerückt. In die Hochschuldidaktik insge­samt sind allerdings die wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu nur marginal einge­flos­sen. Genauso sind sprachliche Erwerbsaspekte in die Studiengangsent­wick­­lung bisher trotz ihrer Relevanz nur vereinzelt integriert und im Rahmen der „Scholar­ship of Teaching and Learning“ kaum reflektiert (vgl. Huber 2014 und 2018). Ausgegangen wird im entsprechenden Forschungsdiskurs insbesondere von zwei sprachbezogenen Entwicklungsmodellen: Pohl 2007 beleuchtet die Aneignungsverläufe der Studierenden aus der Perspektive auf die sich in studentischen Texten verändernden Konstellationen hinsichtlich drei wissenschaftlicher Textdimensionen, Argumenta­tions-, Diskurs- und Gegenstandsdimension. Komplementär dazu arbeitet Steinhoff 2007 die im Aneig­nungs­prozess hinsichtlich der allgemeinen Wissenschaftssprache wirkenden Dynamiken und Einflussfaktoren heraus und zeigt für die präkonventionelle Phasen die Verfahren der Transposition, der Imitation und der Transformation auf, er bezeichnet die kontextuelle Passung als konventionell und geht auch auf eine postkonventionelle Phase ein.

Darüber hinaus bietet der am Sprachenzentrum der Universität Osnabrück entwickelte Osnabrücker Rahmen zur Didaktisierung von Wissenschaftssprache (Lauterbach 2021) eine Übersicht über die unterschiedlichen Zugänge für eine wissenschafts­sprach­liche Förderung, und zwar die jeweils einzelsprachliche Ausdrucksebene, Prozeduren (d. h. muster­hafte Funktionen bzw. kognitive Intentionen), Textmecha­nismen (d. h. muster­hafte Strukturen), Diskursformen (d. h. sowohl mündliche als auch schriftliche universitäre Kommunikationssituationen, s. auch Ehlich 2003), Arbeitsschritte (s. beispiels­weise zum Schreiben Krings 2012) und das Fundament der Wissenschaftlichkeit (hierzu zählen rhetorische, wissenschafts­theoretische und methodenbezogene Zugänge). Aufgrund des sprach- und handlungsbezogenen Ansatzes haben in den studierendenbezogenen Maßnahmen die Sprachfertigkeits­kategorien (Schreiben, Lesen, Sprechen und Hörverstehen) eine orientierende Funktion.

Im Feld der Hochschuldidaktik ist die Sinnhaftigkeit eines handlungsorientierten Lernens (u. a. Koch 2007) sowie des Zusammenhangs wichtiger Komponenten von Lehre im Sinne eines Constructive Alignments (Biggs 2003) weitgehend unumstritten. Hochschuldidaktik bleibt aber zu kurz gedacht, wenn sie sich allein auf das Geschehen in einer Lehrveranstaltung beschränkt und die kontextuellen Handlungsmöglichkeiten vernachlässigt. Zu berücksichtigen sind unseres Erachtens sowohl die Rahmenbedingungen für das Handeln der Lehrenden, die Entwicklung der Lehrenden selbst, letztere wie sie Shulman (2002) skizziert, wie auch die institutionellen Rahmenbedingungen, die beispielsweise im Writing Enriched Curriculum-Ansatz (WEC, Flash 2016, vgl. auch Buschmeier & Kaduk 2016) im Fokus stehen. Diese sind gemeinsam mit Studie­ren­den des Fachs ‚als PartnerInnen‘ (Bovill, Cook-Sather & Felten 2011 und 2014) bzw. über die direkte Einbindung der Perspektive der Lernenden weiterzuentwickeln. In diesem Sinn bindet das Projekt über Interviews (u.a. mit „Decoding Interviews“, vgl. Pace 2017), Um­fra­gen, Kleingruppen-Gespräche und über einen strukturierten institutsinternen Austausch im­mer wieder auch die Studierendenperspektive ein, um das Lernen und Lehren in den Studien­gän­gen am IIT spracherwerbsbewusst zu gestalten, fachspezifische Denk- und Kommunika­tions­kulturen zu reflektieren und diese Studienanfänger*innen transparent zu machen.

4. Vorgehen

Das Vorgehen im Projekt folgt in den Grundzügen dem Zyklus eines DBR-Projekts. Es werden nach der sorgfältigen Analyse der Ausgangssituation verschiedene Stützungsmechanismen für die heterogenen Bedarfe der Studierenden entwickelt, umgesetzt, evaluiert und darauf aufbauend überarbeitet. Einen mehrfachen Makrozyklus kann es aufgrund des größtenteils zweisemestrigen Turnus der Studiengänge innerhalb einer einjährigen Projektlaufzeit nicht geben. Allerdings sind mehrfache Mikrozyklen für einzelne Teilaspekte des Projekts eingeplant. Zudem werden Maßnahmen für die Lehrenden als MultiplikatorInnen hinsichtlich lehrbezogener Themen durchgeführt. Das Vorgehen auf der Mikro-, Meso- und Makroebene von Hochschullehre erfolgt in enger Absprache mit den Beteiligten und soweit möglich partizipativ. Bevor dies in der folgenden Darstellung bereits angefangener und der geplanten Maßnahmen und der Schritte zur Qualitätssicherung weiter ausgeführt wird, soll zunächst die Datenerhebung für die Analyse der Ausgangssituation skizziert werden.

4.1 Datenerhebung

Für eine passgenaue Entwicklung von Lehr-/Lernangeboten hinsichtlich der Vermittlung von Wissenschaftssprache ist eine genaue Analyse der Ausgangssituation (vgl. Brown 2016) notwendig. Folgende Bausteine bilden dafür die Datengrundlage:

  • Studentische Texte und andere Erzeugnisse von Studierenden
  • Dazugehörige Aufgabenstellungen für Studien- und Prüfungsleistungen
  • Feedback und Bewertungen auf studentische Erzeugnisse, z.B. Hausarbeiten oder Powerpointfolien
  • Anleitungen für Studien- und Prüfungsleistungen
  • Leitfadengestützte Einzel(- und Gruppen)gespräche mit Lehrenden und Studierenden sowie
  • Online-Fragebögen für Lehrende und Studierende

Die Analyse der Materialien folgt den Leitfragen:

  • Wo stehen die Studierenden mit Blick auf ihre wissenschaftssprachlichen Kompetenzen genau?
  • Welche Bedarfe hinsichtlich der Lehre der Wissenschaftssprache existieren für die Studierenden aus der studentischen Sicht und aus der Sicht der Lehrenden genau?

Die Datenerhebung ist mittlerweile abgeschlossen, eine Analyse und die Aufbereitung der Daten für das unten beschriebene Open Space-Format erfolgt im Austausch mit den Lehrenden und ist derzeit (Stand 7/22) im Gange.

4.2 Maßnahmen für Lehrende als Multiplikatoren

Neben den monatlichen Treffen zur Prozessgestaltung mit der das Projekt begleitenden Steuerungsgruppe finden semesterbegleitend themenfokussierte Austauschforen mit Lehrenden statt; es werden beispielsweise folgende Themen bearbeitet:

  • Aufgaben spracherwerbsbewusst konzipieren. Austausch auf der Grundlage von Aufgabenbeispielen
  • Beurteilung studentischer Texte. Ein spracherwerbsfokussierter Austausch auf der Grundlage studentischer Texte unterschiedlicher Phasen sowie kursierender Bewertungskriterien und mit Blick auf das „Optimalitäts-Problem“ (Steinhoff 2010, 267)
  • Wie zeigt sich kritisches Denken in der Islamischen Theologie sprachlich? Ein Austausch auf der Grundlage von Modellen (u.a. Paul & Elder 2001) und anhand der Analyse studentischer Texte unterschiedlicher Phasen und wissenschaftlicher Texte

In Gesprächen mit den Lehrenden wird unter anderem auch auf die Methode der unterstützten Selbstreflexion („Decoding the Disciplines“, Pace 2017) zurückgegriffen.

Ziel dieses Maßnahmenpakets ist es, die Lehrenden forschungsbasiert an die Aneignungs­perspektive wissenschafts­sprachlicher Aspekte heranzuführen, einen Austausch unterschiedlicher Perspektiven zu ermög­lichen und auf einen Konsens im hochschuldidaktischen Vorgehen hinzuar­beiten. Es ist anzunehmen, dass in diesen Treffen Fragestellungen und Themen zu Bedarfen und Lernzielen im Kontext der Wissenschaftssprache zu Tage treten, die als Anliegen im Rahmen des Open Space aufgegriffen und weiter ausgehandelt werden.

4.3 Maßnahmen für Studierende der Studienanfangsphase

Untereinander verzahnte modulbegleitende Maßnahmen werden zusammen mit den jeweiligen Modulverantwortlichen ausgestaltet. Zu zwei der drei Maßnahmen kann an dieser Stelle ein kurzer Überblick gegeben werden:

Im Wintersemester wird der Aufbau der Übung des Einführungsmoduls Einführung in die Glaubensgrundlagen neu gestaltet, begleitende blended-learning Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Explizit gemacht wird hierdurch einführend die wissenschaftssprachliche Sozialisierung im Fach der Islamischen Theologie durch das Studium. Dies erfolgt mithilfe von Informationen zu den Kommunikationsräumen Universität und Wissenschaft, der Erarbeitung von Diskursräumen und mithilfe von kleinschrittigen Aufgaben im Kontext typisch wissenschafts­sprachlicher Handlungen, der Fokus liegt hier auf der audiovisuellen Rezeption und dem Schreiben. Aufgrund der oben beschriebenen starken Heterogenität der Studierenden ist zudem parallel dazu eine inte­grier­te Sprachlernberatung zur Allgemeinen Wissenschaftssprache Deutsch mit der Bereitstellung eines diagnostischen Sprachtests und digitaler Übungsmaterialien (vgl. Huber 2010, Bremerich-Vos et al. 2016) vorgesehen. Wie auch in einigen anderen Projekten im LehrKolleg der Universität Osnabrück deutlich wird, bietet sich ein blended-learning-Konzept insbesondere für heterogene Gruppen an (s. Projekt der Informatik).

Eine weitere Maßnahme im Bereich des Lesens stellt ein Lese-Paten­schafts­­pro­gramm zu wissenschaftlichen Fachtexten dar, das im Sinne der ‚academic peer tutor‘ (vgl. dazu Bruffee 1993, s. auch Liebetanz & Tschirpke 2016) umgesetzt wird. Verknüpft ist es mit dem Einführungsmodul Einführung in die hadīt-Wissenschaften – ´ulūm al- hadīt und mit zwei Mastermodulen, das eine für Studierende auf Lehramt (Glaubenspraxis und Lebenswirklichkeit in Schule und Alltag) und das andere für den Fachmaster (eine Lehrveranstaltung im Interdisziplinären Wahlbereich). Die zu besprechenden wissenschaftlichen Fachtexte gehören zur Lektüreliste des Einführungsmoduls, zeitlich abgestimmt werden sie in Vorbereitung auf einzelne Sitzungen kollaborativ vorbereitet. In enger Abstimmung mit den Lehrenden werden die Masterstudierenden im Vorfeld auf ihre vermittelnde Tätigkeit ausgebildet. In den zusammen mit dem Sprachenzentrum gestalteten Workshops erlernen die Studierenden erste pädagogisch-didaktische Methoden (vgl. das Multiplika­tor*in­nenpro­gramm der Univer­sität Osnabrück), zugleich geht es allerdings besonders um spezifisch lesedidaktische Inhalte (vgl. Lahm 2016, 92-107 und grundsätzlich Rosebrock & Nix 2008) und die konkrete Vorbereitung der LesepatInnen-Treffen.

4.4 Open Space und Vademecum

Für eine längerfristige Wirkung des Projekts ist die Mitnahme und Beteiligung möglichst vieler Stakeholder des IIT an der Entwicklung eines Vademecums für die auf Wissenschaftssprache bezogene Lehre am IIT ausschlaggebend. Vielversprechend scheinen die for­schungs­­­gestützten Erfahrungen des „Writing Enriched Curriculum“-Programms (Anson & Flash 2022, Flash 2016; vgl. auch Buschmeier & Kaduk 2016) zu sein. Das an der Universität von Minnesota entwickelte Programm zielt darauf ab, fachspezifische Denk- und Kommunikationskulturen zu reflektieren und deren (vor allem schriftfokussierte) Aneignung im Curriculum zu verankern.

Die Open Space-Technology, die Owen (32008/1993) beschreibt und die zunächst für den Austausch, die Deutung der Daten und die Entwicklung von Lösungen vorgesehen war, ist derzeit aufgrund der Anzahl an Beteiligten nicht zielführend. Die Weiterentwicklung der Maßnahmen findet daher unter wiederholtem Einbezug der Studierendenperspektive mit den für die spezifischen Maßnahmen zukünftig relevanten Playern in Verwaltung und Lehre statt. Im Vademecum werden insbesondere auch curriculare Überlegungen festgehalten, auf deren Basis die spracherwerbsbewusste Weiterentwicklung des Studiengangs erfolgen kann.

Die Ergebnisse hinsichtlich beispielsweise der Anliegen wie spracherwerbsbewusster Bewertungs­kri­te­rien, dem Umgang mit Eulogien oder dem Bedarf von Lesekursen, werden doku­men­tiert, für die über verschiedene Feedbackformen im Nachgang erfolgten Ergänzungen die Zustimmung der Beteiligten einge­holt. In den letzten Projektwochen wird das Vademecum kritisch überprüft und schließlich auf den Weg gebracht.

4.5 Qualitätssicherung

Die Einbindung in die qualitätssichernden Strukturen der Universität Osnabrück erfolgt auf mehreren Ebenen: Das Projekt wurde bereits im Vorfeld mit dem QM-Team (Dezernat für Hochschulentwicklungsplanung), dem Zentrum für Digitale Lehre, Campus-Management und Hochschuldidaktik (virtUOS) und dem Sprachenzentrum (SPZ) abgestimmt. Das Projekt ist zudem in das universitäts­interne „LehrKolleg“ einge­bunden, das im Rahmen des Strategiepro­zesses einge­richtet wurde und in dem sich geförderte Projektgruppen untereinander mit der Hochschul­didaktik und der vom Senat eingerichteten Ständi­gen AG Lehre unter dem Vorsitz der Vizepräsidentin für Studium und Lehre vernet­zen. Die Projektideen werden in Workshops, in Gesprächen mit ‚critical friends‘ und hoch­schul­öffentlich vorgestellt, um so Rückmeldungen zu erhalten und die Über­tragbar­keit und Nachhaltigkeit der Lehr­konzepte zu sichern.

Hinsichtlich der Maßnahmen wird folgendermaßen verfahren: Über die leitfadengestützten Gespräche und auf der Grundlage der bis dahin vorliegenden Dokumente werden die oben dargestellten Maßnahmen für Studierende forschungsbasiert entwickelt und prozessorientiert angepasst: Mittels einer qualitativen Zwischenevaluation (TAP) im Semester und unterschiedlichen Formen von Rückmelderunden am Ende jeder Veranstaltung bzw. Maßnahme werden die eingesetzten Methoden sowie die angebotenen Inhalte überprüft und soweit angebracht und möglich nachjustiert. Eine kontinuierliche Reflexion und Überarbeitung schließt auch die Instrumente der Datenerhebung mit ein, wie den Interviewleitfaden; dieser wurde beispielsweise mit weiteren Aspekten ergänzt, die sich aus den bis dahin durchgeführten Gesprächen und Feedbacks ergaben. Über die kontinuierliche Arbeitsdokumentation können Einzelschritte kritisch überprüft werden.

5. Erkenntnisse und Ausblick

Auf Basis der breit angelegten Datenerhebung, der ersten Umsetzung der Maßnahmen und deren Evaluation mit den darauf aufbauenden aktuellen Anpassungen an die neu akkreditierten Studiengänge zeichnen sich verschiedene (Zwischen-)Ergebnisse ab; dabei ist die partizipative Interpretation der aufbereiteten Daten und der Erkenntnisgewinn durch die schrittweise Verallgemeinerung hin zu Lehr-/Lernprinzipien allerdings weiter im Gang. Zudem gilt es zu anzumerken, dass ein einjähriges Projekt einmalig Weichen stellen kann, der Bedarf an iterativ-zyklischen Nachjustierungen allerdings nicht erfolgen kann (vgl. Reinmann & Schmohl 2018).

Ein aus wissenschaftspolitischer Sicht relevantes Zwischenergebnis mag in diesem Sinn auch nicht neu sein, ist allerdings fundamental für das Ziel, Hochschullehre nachhaltig zu verbessern. Dies ist dann zu erwarten, wenn der Fluktuation geeigneter Fachkräfte mit pädagogischen Fähigkeiten und dementsprechend auch der Flüchtigkeit der Wirkung von Fortbildungsmaßnahmen und Interven­tio­nen durch die Entfristung einzelner auf Lehre ausgerichteter Stellen im Mittelbau Einhalt geboten wird. Es scheint zudem naheliegend, diese Lehrenden dann in den Modulen einzusetzen, die als curriculare Schlüsselstellen für den Erwerb der Wissenschaftssprache und das wissenschaftliche Arbeiten gelten können.

6. Nachhaltigkeit und Transfermöglichkeiten

Eine nachhaltige Wirkung ist aufgrund verschiedener Stellschrauben angelegt: Das Verfassen eines Vademecums als Handreichung für Lehrende am IIT sowie die Dokumentation der entwickel­ten Maßnahmen bilden die Grundlage für weitere den Erwerb der Wissenschaftssprache(n) fördernde Angebote während der Studienein­gangs­phase am IIT. Der Prozess, einen Studiengang spracherwerbsbewusst zu entwickeln, ist selbstredend auf andere Fachkulturen transferierbar. Zudem werden die Lehr- und Lernmateria­lien über das niedersächsische OER-Portal twillo für eine längerfristige Nutzung und Anwendung auf andere Fachbereiche zur Verfügung gestellt und auch dem außenstehenden Fachpublikum zugänglich gemacht. Da fast alle Prü­fun­gen diverser Fachbereiche wissenschaftssprachliche Kompetenzen einfordern, diese aber kaum ex­plizit vermittelt werden, ist grund­sätz­lich von einer Übertragbarkeit für die mei­sten Fachbereiche auszugehen wie dies beispielsweise an der University of Minnesota der Fall ist (s. WEC Writing Plans, LINK).

Literatur

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[1] Ein großer Dank gilt den Studierenden und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Islamische Theologie, die sich auf das Projekt SSG@IIT vertrauensvoll eingelassen haben und einlassen. Ohne sie wäre das Projekt so nicht durchführ­bar. Gerade weil Engagement in Lehre für das individuelle berufliche Fortkommen nur bedingt wertgeschätzt wird, zeigt sich durch die Beteiligung am Projekt die hohe intrinsische Motivation der Beteiligten. Von 33 Lehrenden im Wintersemester am IIT (von Lehrbeauftragten bis Lehrstuhlinhaber) waren 18 Lehrende (12 davon vertraglich befristet angestellt), aktiv in das Projekt involviert. Herzlichen Dank dafür!

Genauso danken möchten wir allen Mitgliedern der Steuerungsgruppe, die das Projekt Schritt für Schritt begleiten, und dem Team des Sprachenzentrums für die beratende Unterstützung. Stellvertretend erwähnen möchten wir an dieser Stelle besonders Herrn Coşkun Sağlam, Koordinator am IIT und Herrn Dr. Stefan Serwe, Leiter des Sprachenzentrums, die das Projekt federführend mit auf den Weg gebracht haben.

Schließlich möchten wir Saadet Kayacan und Büsra Tekeli danken, die als studentische Hilfskräfte tatkräftig am Projekt beteiligt waren und insbesondere in der Datenerhebung mitgewirkt haben und mitwirken.

[2] vgl. für eine kritische Einordnung des Begriffs Scarvaglieri & Zech 2013.